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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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dem ich nur die silberne Farbe wahrnahm, die in der Nacht schimmerte, während Chiara mir die Nase mit einem Fensterwischlappen verstopfte, der mit einem so ekelerregenden Zeug getränkt war, dass ich fast kotzen musste.
    Sie klappten die Rückenlehne nach hinten, und der Pusher sagte: »Scheiße, halt den Kopf hoch, sonst verblutest du«, dann öffnete Chiara die Tür an der Fahrerseite, setzte sich und ließ den Motor an.
    »Fahr bloß langsam, Chiara!«, bat Tony.
    Ich sah, dass sie ihn aus dem Augenwinkel böse anblitzte, während er noch sagte, er würde mit dem Motorrad hinter uns herfahren, aber sie warnte ihn, das solle er ja bleibenlassen, »sonst zeige ich dich wegen Körperverletzung an, du mieses Stück Scheiße!« Als sie mir den Sicherheitsgurt umlegte, berührte sie meine Seite, und mir entfuhr ein Schmerzensschrei. »Entschuldige«, sagte sie, legte den Gang ein und wir fuhren los.
    »Himmel, ich weiß nicht mal den Weg zum Krankenhaus«, rief sie fast verzweifelt aus, dann fügte sie mit einem nicht besonders spontanen Lächeln hinzu: »Alles okay?«, während sie mir diesen mit Klarspüler oder was weiß ich getränkten Lumpen unter die Nase drückte. Das Zeug machte mich schwindelig, vielleicht waren es aber auch ihre Augen, die glänzten wie zwei frisch gefangene Fischchen, was diese Wirkung auf mich hatte. Oder es war das Gegenteil, nämlich diese seltsame Freude, die in mir fast stärker wurde als die Angst, die Freude darüber, dass ich neben ihr saß und wusste, dass sie sich Sorgen um mich machte, während sie rasant durch die leeren mitternächtlichen Straßen fuhr.
    Am Stoppschild vor einem Kreisverkehr sagte sie: »He, wie geht’s, gib mir mal ein Lebenszeichen, sonst krieg ich Angst, und ich ertrag es nicht, Angst zu haben, okay?« Ihre Stimme zitterte.
    Und während sie ihre Hände erfahren über das Steuer gleiten ließ und mit den Füßen Bremse und Kupplung bediente, entwischte mir die Frage: »Wie alt bist du eigentlich, wenn du schon Auto fährst?«, aber meine Stimme kam unverständlich durch den Lumpen, auf Kehllaute und Zwerchfellbeben reduziert.
    Sie lachte nervös und fragte: »Was hast du gesagt?«, und auch ich musste lachen, also lachten wir eine Weile gemeinsam, während die Straßenlaternen auf beiden Seiten sich neugierig über uns beugten. Dann hörte ich auf zu lachen, denn dabei tat mir die Nase weh, und der Geschmack des Blutes, jetzt merkte ich es, war echt ekelhaft.
    »Wenn wir da sind«, sagte sie, »rufe ich sofort deine Familie an.«
    Ich schüttelte abwehrend den Kopf: Allein das Bild von Virginia am Arm meines Vaters in den Krankenhausfluren ließ mich entsetzt erschauern und gleichzeitig wütend werden.
    »Du bist noch minderjährig, sie müssen auf jeden Fall kommen«, sagte sie, aber ich wette, sie wusste nicht, ob das stimmte oder bloß nützlich für sie war.
    Dann sah ich die traurigen Umrisse des Krankenhauses am Ende einer baumbestandenen Allee auftauchen. In den oberen Stockwerken brannten hier und da Lichter, da lagen vielleicht die Toten oder Sterbenden, oder es wurde operiert, vielleicht waren es aber auch einfach nur leere, trostlose Räume, wo Ärzte und Krankenschwestern heimlich ihren schweinischen Privatvergnügungen nachgingen.
    Chiara hielt mit laufendem Motor vor dem Schild mit der Aufschrift NOTAUFNAHME – HALTEVERBOT. Mit einer raschen, graziösen Bewegung, die mir nicht verwehrte, ihren Hintern zum ersten Mal richtig ins Auge zu fassen, stieg sie aus dem Auto, und während sie im Inneren des Gebäudes wer weiß wohin lief, dachte ich, dass das wirklich ein phantastischer Arsch war.
    Dann sah ich sie mit einem Krankenpfleger zurückkommen, der sehr freundlich aussah. Er schob einen Rollstuhl, und als sie bei mir angekommen waren, sagte er: »Signorina, wenn ich ihn abgeladen habe, stellen Sie das Auto woanders hin, hier können Sie nicht stehenbleiben.« Er öffnete die Wagentür, packte mich unter den Achseln und trug mich vom Beifahrersitz zum Rollstuhl, als wäre ich eine Feder. Er nahm mir den Lappen von der Nase, und ich spürte das geronnene Blut zwischen Oberlippe und Nasenlöchern. »Keine Angst!«, sagte er und schob mich auf den Eingang der Notaufnahme zu, während Chiara rief »Bin gleich wieder da!«, und ich hörte, wie sie ins Auto stieg und wendete.
    Als wir die Rezeption erreicht hatten, war Chiara schon wieder an meiner Seite. Im Neonlicht überfiel mich zum ersten Mal an diesem Abend eine entsetzliche Scham: So übel

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