Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
Verband.
Sie kam hinter der Theke hervor wie damals, als sie mir die Ohrfeige verpasst hatte. Fast bereitete ich mich schon darauf vor, den nächsten Schlag abzuwehren. Die Beutel mit Toastbrot lagen noch am selben Platz. Aber sie tat mir nichts, verschränkte nur die Arme unter dem Busen. Dann sagte sie, jedes Wort betonend: »Ich bin nicht irgendeine Tussi. Ich bin neunzehn Jahre alt. Wenn ich dich anrufe, um dich zu fragen, wie es dir geht, und auch – ja, auch das – ob du einen Augenblick vorbeikommen magst, dann ertrage ich es nicht – ICH DULDE ES NICHT –, dass du dich wie ein größenwahnsinniger Macker aufführst. Ich liebe dich nicht und halte auch nicht viel von dir, du bist mir zu flegelhaft und aggressiv. Nur damit du das schon mal weißt. Ich mache mir lediglich Sorgen um dich. Aber so wie eine ältere Schwester. Das ist alles. Haben wir uns verstanden?«
Während des ganzen langen Monologs konnte ich meine Augen nicht von ihren Lippen lösen.
»Eine Schwester habe ich schon«, sagte ich mit einem Seufzer unterdrückten Begehrens. »Ich wüsste nicht, was ich mit einer zweiten anfangen sollte.«
»Ich habe gesagt ›wie eine Schwester‹. ›Wie‹.«
»Ja, und?«
»Was?«
»Du willst keine Schwester für mich sein«, erklärte ich und begann, an den Fingern aufzuzählen: »Du liebst mich nicht, du hältst nichts von mir, ich bin ein Rüpel und Streithammel für dich. Richtig?«
»Richtig«, sagte sie überrascht.
»Dann sehe ich keinen Grund, warum wir nicht zusammen ausgehen sollten. Wo findest du einen, der so perfekt ungeeignet für dich ist?« Ich lächelte verführerisch.
Auf ihren Wangen zeichneten sich Grübchen ab, aber sie unterdrückte das Lachen. »Wie hässlich du mit diesen Stopfen in der Nase bist«, sagte sie. »Man könnte richtig Angst vor dir kriegen.«
»Wenn deine Freunde fair kämpfen würden, anstatt zu dritt gegen einen, wäre ich jetzt nicht so zerbeult.«
Jetzt lachte sie. Sie blickte sich um und lachte noch einmal. Ein Typ schob gereizt die herumstehenden Einkaufswagen zusammen.
»Nun?«, fragte ich.
»Warte draußen auf mich, geh schon … Drei gegen einen, dass ich nicht lache!«, und sie schüttelte den Kopf.
Bevor ich rausging, half ich dem Typ mit den Einkaufswagen, wir rammten sie gemeinsam gegen die Wand.
»Danke«, sagte er. Dann sah er mich genauer an und fragte erstaunt: »Du bist doch der, den Tony Champion gestern Abend verprügelt hat!«
»Ganz so war es nicht. Das ist eine lange Geschichte …«, sagte ich vage. Verdammte Scheiße! Da hilft man einem, und der … so ein blöder Arsch!
»Es heißt, dass er dich fertiggemacht hat, weil du sein Motorrad zerkratzt hast.« Der Kerl ließ nicht locker.
»Erstens hat er mich nicht fertiggemacht. Er hat mich nur überrumpelt. Ich bin gestürzt, und der Asphalt hat den Rest besorgt. Zweitens waren die zu fünft.«
»Hm«, machte er skeptisch.
»Drittens kannst du dir diese Einkaufswagen beim nächsten Mal in den Arsch stecken.«
»Enrico?«, sagte Chiara hinter mir. »Gibt es ein Problem?«
Er wollte etwas sagen, aber Chiara hakte mich unter, und er erstarrte. Sie hatte sich hübsch gemacht – obwohl sie auch als Feinkosterin verkleidet eine verdammt gute Figur abgab – und sich die Lippen mit einem Feuchtigkeitsstift angemalt, so dass sie aussahen wie mit Tau benetzt. Mir schwanden fast die Sinne, wie damals, als ich dachte, ich hätte einen Sechser im Lotto und mich schon unter der Sonne der Karibik oder in Polynesien sah, um dann zu entdecken, dass die Zahlen sich im letzten Moment änderten und ich mal wieder die Arschkarte gezogen hatte.
Und genauso fühlte sich jetzt Enrico, dieser Wichser, als er uns Arm in Arm davongehen sah.
Ich war stolz auf mich, ich hatte sie praktisch erobert, also wandte ich mich zu ihr, um ihr den ersten von tausend Vorspielküssen zu verpassen, die ich für sie aufgespart hatte, doch kaum waren wir aus dem Laden, riss Chiara ihren Arm aus meinem und rückte einen Meter von mir ab.
»Du wolltest schon wieder Streit anfangen«, rief sie, »und ausgerechnet da, wo ich arbeite! Was geht bloß in deinem kranken Hirn vor sich?«
»Hör mal …«
»Du bist … Verflucht, du kommst gerade aus dem Krankenhaus und hast schon wieder Lust, dich einliefern zu lassen? Wie blöd bist du eigentlich?« Sie wühlte hektisch in ihrer Handtasche und zog die Schlüssel des Prolo-Autos heraus.
»Ich habe mit ihm die Wagen zusammengeschoben, und der Typ lässt sich erst
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