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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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und dachte daran zurück, wie ich diese Lippen vor nur zwei Tagen geküsst hatte. Und ich dachte an ihre Reaktion: War dieses Versteifen ein deutliches Anzeichen für Panik oder Angst vor Sex gewesen oder gar Abscheu vor dem, was ihr widerfuhr? Ich wusste es nicht. Umso schlimmer. Was mich am meisten beschämte, war, dass ich nicht genug Erfahrung in diesen Dingen besaß, um es allein herauszubekommen. Und auf ihre Erklärungen konnte ich mich bestimmt nicht verlassen.
    Also studierte ich sie von meinem Versteck aus und versuchte, irgendeine Antwort auf ihrem Gesicht zu entdecken. Aber es war nur ein müdes Gesicht, mehr nicht.
    Trotzdem wuchs meine Begierde, je länger ich sie heimlich beäugte. Als ich sie einen Moment lang allein sah, beschloss ich, zur Tat zu schreiten, durchquerte die Abteilung, bog um die Ecke und ging auf sie zu, bis ich direkt vor ihr stand.
    »Ciao«, sagte sie kühl, als sie mich sah.
    »Ciao. Hast du deine Pause schon gemacht?«
    »Nein. Es ist noch zu früh.«
    »Kann ich draußen auf dich warten?«
    »Es ist zu früh«, wiederholte sie.
    »Ich habe heute Morgen nichts zu tun. Ich kann draußen stehen und lange auf dich warten.«
    Sie hob den Blick zu einer Uhr an der Wand. Zehn Uhr zweiundzwanzig.
    »Nicht vor elf.«
    »Ich werde warten.«
    Ich lungerte eine Weile in der Umgebung des Ladens herum. Dann kehrte ich zum Eingang zurück.
    Kurz vor elf kam sie heraus, die Sonne stach ihr in die Augen, und ihre Augen stachen grün in meine.
    »Wie geht’s?«, fragte sie.
    »Alles prima.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an und blickte sich nervös um. »Diese Szene meine ich schon mal erlebt zu haben«, stieß sie ärgerlich hervor. »Jetzt muss ich fragen ›Also?‹ und du musst antworten, oder?«
    »Stimmt«, seufzte ich. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen – schlimmer als bisher konnte es nicht kommen – und sagte: »Was den Kuss betrifft … Ich wollte dir sagen, dass es mir leidtut, wenn dir das unangenehm war. Und dass du mir gefällst. Du gefällst mir sehr, okay? Wirklich sehr.« Ich versuchte, gelassen zu wirken, obwohl mein Herzschlag mir in den Ohren dröhnte. »Und ich konnte nicht widerstehen.«
    Ich bin sicher, dass sie einen Augenblick lang rot wurde. Doch dann sprach sie in demselben bösen Ton wie eben. »Du gefällst mir auch ein bisschen. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so.«
    Ich wollte mich schon auf sie stürzen, da fügte sie hinzu: »Aber du bist nur ein kleiner Junge. Unreif. Und jämmerlich dazu. Als wäre die Welt dir was schuldig. Als wären dir alle was schuldig.« Sie schüttelte den Kopf. »Und du bist noch nicht erwachsen genug, um zu begreifen, dass es nicht so ist.«
    Ich fühlte mich hundeelend. Mein Blut gefror in der Gluthitze des Julis. Auf einmal war ich kein Schauspieler in irgendeinem Film mehr. Mir fiel absolut nichts mehr ein. Ich war nur noch ich selbst, und es ist nicht gerade schön, in so einem Moment nur noch man selbst zu sein.
    »Versuch, nicht immer so viel Unheil anzurichten«, sagte sie, während sie nach meiner Hand tastete und sie fand. »Und lass es dir gutgehen.«
    Dann gab es diesen Händedruck, der nichts abschloss, weil noch gar nichts angefangen hatte, und nichts vorwegnahm, weil alles schon vorbei war.
    Ich überlegte, ob ich sagen sollte »Ich kann mich ändern« oder »Gib mir Zeit«, aber das waren Sätze eines Exfreundes, und ich war nicht ihr Scheiß-Exfreund, also sagte ich nichts. Sie drückte die Zigarette aus, winkte mir zum letzten Mal zu und ging wieder rein.
    Ich ging weg wie die anderen Male, mit dem einzigen Unterschied, dass ich jetzt irgendwann anhielt, meinen Kopf und einen Arm an eine Mauer lehnte und eine Weile so stehenblieb, nachdenklich auf den Asphalt in der Sonne starrend, bis ich alle möglichen Gedanken zu Ende gedacht hatte. Dann ging ich nach Hause.

4
    Offenbar hatte man nichts Verfaultes in meinem Blut gefunden, denn am ersten Montag im August schritt ich pünktlich um fünf vor sieben über die Schwelle der Trak Aagee. Der Bulle röstete nicht in seiner Hütte, keiner empfing mich mit großem Bahnhof, beim Aufwachen hatte ich mir allein Frühstück machen müssen, und kein Schwein hatte sich herabgelassen, mir viel Glück zu wünschen oder ähnliche hirnrissige Sprüche zu machen, die aber doch immerhin ganz nett anzuhören sind.
    Die Anweisungen der hypernervösen Sekretärin befolgend, ging ich den gelben Pfeilen nach, die zum PERSONALEINGANG führten. Dort sah ich ein paar Container mit

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