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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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Auto ab!«, rief sie hinterher.
    »Falls ihr auch noch mein Blut wollt, teile ich euch mit, dass man mir den Saft heute Morgen schon literweise abgezapft hat«, sagte ich, ging aber rasch nach draußen.
    Fluchend zog ich einen gewaltigen Koffer aus dem Auto, der mir vorkam wie mit Steinen gefüllt, außerdem ein Täschchen. Ich war versucht, einen Blick hineinzuwerfen, ließ es aber sein. Mit ein paar Handkantenschlägen schloss ich die Autotüren. Dann blieb ich stehen, um das Haus ein wenig von draußen zu betrachten.
    Die Dinge änderten sich. In ganz Osteuropa war der Kommunismus umgekippt wie ein Sack Kartoffeln. Und auch mein Vater war umgekippt. Als wäre ich ein ehemaliger tschechoslowakischer Parteifunktionär, konnte ich mir jetzt ausrechnen, dass die Verhältnisse sich von nun an sehr zu meinen Ungunsten entwickeln würden. Vielleicht würde sogar eine Menschenjagd veranstaltet, bei der ich draufging. Man würde mich ausweisen oder sogar töten. Aber ich würde meine Haut teuer verkaufen, oh ja, denn in diesem Haus war ich geboren und hatte meine ersten Schrittchen gemacht. Hier hatte ich Treppe-Runterspringen gespielt. Hier hatte ich viele tausend Nächte ruhig geschlafen. Hier hatte ich all die Male gewichst, an die ich mich erinnerte – damit hatte ich jetzt aufgehört … Naja, nicht wirklich ganz aufgehört, vielleicht von Zeit zu Zeit noch einmal, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Organs zu überprüfen.
    Ich ging hinein und ließ den Koffer über den Boden schleifen. Virginia hörte das unheimliche Schleifgeräusch, kam aufgeregt die Treppe heruntergelaufen und schrie: »Pass auf, so geht er kaputt!«
    Maßvoll interessiert am Grund für diese Reaktion, nahm ich die Ecke des Koffers in Augenschein. »Oha, entschuldige, meine Liebe!«, sagte ich. »Ich dachte, er hätte Rollen!«
    Sie riss mir den Griff aus der Hand und schleppte den Koffer keuchend bis zur Zimmerwand. Die Kartons waren weg, der Chef hatte sie schon nach oben gebracht.
    »Nun sieh sich einer das an!«, sagte sie und kniete nieder, um den Schaden zu taxieren.
    Ihre kleine Freundin Francy kam die Treppe herunter, warf mir einen bösen Blick zu und kauerte sich neben ihr neues Idol, um aufmerksam den Koffer zu inspizieren.
    »Ich hänge an dem Stück!« Mit einem Satz fuhr Vì auf und gewann mit einem Sprung in meine Richtung ihre anderthalb Meter Körpergröße zurück. »Ich hänge an allen Sachen, die ich hierher gebracht habe, damit das klar ist!«
    »Ich entschuldige mich in aller Form, Vì, ehrlich«, sagte ich. »Wenn sie dir aber so viel bedeuten, wie du sagst, dann bring dir beim nächsten Mal ein paar Kofferträger mit.«
    Man sah, dass sie große Lust hatte, mein ohnehin schon reichlich zerbeultes Gesicht mit Fäusten zu bearbeiten.
    »Was ist da los?« hörte man die Stimme des Chefs von oben. Er stand an der Treppe, hatte sich das T-Shirt ausgezogen und zeigte seine Brustmuskeln. Ich fand, dass er sehr gut aussah, und beneidete ihn ein bisschen.
    »Alles okay«, rief ich, seiner Geliebten zuvorkommend.
    Deren Blicke gingen zwischen mir und ihm hin und her. Zornig machte sie sich dann wieder an die Kontrolle ihrer ach so kostbaren Sachen. Die Robbe half ihr dabei.
    »Ich gehe duschen«, erklärte der Chef und verschwand im Klo.
    Bis dass der Tod uns scheidet, dachte ich, den Rücken der am Boden hockenden Frau betrachtend. Der Tod oder vielleicht ein Tankwart.
    Später war alles in dem Zimmer verstaut, welches erst das Zimmer vom Chef und meiner Mutter gewesen war, dann das vom Chef allein und jetzt das vom Chef und Virginia. Während des Abendessens gab es nichts mehr zu tun oder zu sagen: Ich war schlicht und einfach gefangen in dieser Situation, wie in einem englischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts: der arme Junge und die böse Stiefmutter.
    »Und jetzt«, fragte ich, während ich geräuschvoll, wie es sich gehörte, die Spaghetti einsaugte und die drei Besessenen mir gegenüber anschaute, »und jetzt heiratet ihr auch?«
    Virginia errötete. Die Robbe errötete. Der Chef nicht. Er schleuderte mir nur einen seiner Blicke à la »Ich ramme dich unter die Fliesen!« ins Gesicht.
    »Wir werden sehen, wie sich die Sache entwickelt, mein Lieber«, kommentierte Vì.
    »Mein Lieber?« Ich zog eine Augenbraue hoch. Sie hatte es ausgesprochen, wie man eine Beleidigung ausspricht, aber darauf ging ich nicht ein.
    »Wie viel verdienst du denn, Vì?«, fragte ich.
    »Was soll das heißen?«
    »Wie hoch ist die Mitgift,

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