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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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ihren Arbeitsplätzen aus an.
    »Was für ein beschissenes Loch«, sagte einer von uns.
    Das Schlimmste war die Hitze, und es war noch nicht mal acht Uhr morgens. Dann der Geruch: süßlich und metallisch drang er dir erst in den Mund und dann in die Nase. Ein Geschmack wie Blut. Außerdem der Höllenlärm von zerquetschten Metallteilen und quietschenden Laufkränen über unseren Köpfen.
    Vor einer Schalttafel erkannte ich Mario, den Arbeiter, den ich bei Colluras Führung durch das Werk kennengelernt hatte. Er warf uns einen etwas traurigen Blick zu und schrie: »Wie geht’s?«
    Ich machte ihm ein Zeichen mit erhobenem Daumen und schrie zurück: »Wir gehen uns Spinde suchen!«
    Mario nickte. »Nehmt immer euer Portemonnaie mit. Alles, was kostbar ist. Hier wird geklaut.«
    »Wer klaut denn?«, fragte einer der Molisaner über den Lärm hinweg.
    Mario blitzte ihn böse an. »Wenn wir das wüssten, würde er dann weiter stehlen, deiner Meinung nach?«
    Giulio beobachtete uns die ganze Zeit über drohend aus der Ferne.
    »Lauft los, Grünschnäbel!«, beendete Mario das Gespräch und beugte sich wieder über seine Schalttafel.
    Ohne noch ein Wort zu verlieren, eilten wir zu den Containern. Im ersten stank es durchdringend nach Schweiß und brandigen Füßen. Die anderen gingen hinein, um sich freie Spinde zu suchen, ich stürzte mich auf den nächsten, wo die Luft aber nicht besser war. Vergebens schaute ich in jede Ecke, auf der Suche nach einem verwesenden Hundekadaver. Nein, es waren Menschen, die so stanken. Ich fragte mich, ob ich von jetzt an auch diesen Gestank nach Leichenschauhaus ausströmen würde.
    Ich zog mich aus und streifte mir das blaue T-Shirt der Trak über. Dann die Hosen, die mir zu lang waren. Ich krempelte sie zwei-, dreimal um und schlüpfte in die Schuhe, die wiederum zu eng waren. Resigniert warf ich meinen Rucksack in einen Spind und stürzte mich wieder in den Krach.
    Die Molisaner waren schon alle vier draußen, sie standen fast stramm in Reih und Glied.
    Ich musste auch noch den anderen erklären, warum der FC Torino mich aus der Mannschaft geworfen hatte, und dass ich die Stellenangebote der Trak genutzt hatte, um mich ein paar Monate lang als Arbeiter über Wasser zu halten. »Aber Milan will mich«, fügte ich hinzu. »Mein Manager verhandelt schon.«
    »Hoffentlich klappt’s!«, sagte Vincenzo.
    Ich kratzte mich verstohlen am Sack.
    Wieder durchquerten wir diese Welt aus Menschen, die seit fünf Uhr morgens auf den Beinen waren. Komatöse Augen, an den Lippen baumelnde Zigaretten. Wir beobachteten eine Frau, die sich an der ersten Maschine der »grünen Linie« zu schaffen machte. Das letzte Stück war noch nicht wieder aus der Presse gekommen, da schob sie schon das nächste mit dem Magneten hinein. Uns erschien das wahnsinnig schwierig, aber sie lachte und blickte sogar zu uns hin, während sie automatische Bewegungen machte wie ein Roboter.
    »Diesmal zu fünft?«, krächzte sie.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich.
    »Normalerweise probieren sie mehr Leute aus.« Magnet, Blech, Presse, Schalter, Presse, Magnet, Blech, Presse, Schalter, Presse. Und sie lachte sogar beim Reden. »Das letzte Mal waren es acht, glaube ich.«
    »Und was ist aus ihnen geworden?«
    »Sie haben nur zwei übernommen.« Ein paar Schweißtropfen standen ihr auf der Nase, das einzige menschliche Zeichen inmitten dieses bionischen Gezappels. Vielleicht stammten die Tropfen aber auch nur von dem Getriebeöl, das man ihr überreichlich ins Räderwerk gespritzt hatte.
    Die Neuigkeit, dass der Schwung Anwärter vor uns miese fünfundzwanzig Prozent Festanstellungen erzielt hatte, ließ die Molisaner erbleichen. Vielleicht hatten sie erwartet, sofort in die Trak aufgenommen zu werden und sie erst als Rentner wieder zu verlassen.
    Illusionen waren schon immer tödlich, dachte ich.
    Wir verabschiedeten uns von dieser Irren und kamen zur nächsten Straße: vier blau lackierte Pressen in einer Reihe.
    Plötzlich schoss Giulio hinter einem Förderband hervor: »Wie lange braucht ihr denn noch?«, brüllte er. »Her mit dem Band! Schiebt es zu mir!« Wieder gehorchten wir. Diese Fabrikarbeit bestand im Grunde nur darin, sofort das zu tun, was man dir sagte, und ansonsten zu schweigen, auch wenn dir der Kopf platzte.
    Das Förderband war schadhaft und verhedderte sich ständig.
    Der Fettwanst und der Blonde waren auch da. Ersterer nickte uns einen Gruß zu. Der andere beobachtete mich einen Moment lang aus seinen

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