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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Tabitha fragte nicht, ob ich Celestia halten wollte, und weil sie es nicht tat, merkte ich, dass ich es wollte. Ich wollte Celestia nicht ansehen, davor hatte ich Angst, aber ich konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
    »Darf ich … sie mal knuddeln?«
    Tabitha sah mich an. Dann reichte sie mir das Baby. Ich hielt sie, hielt ihr festes, weiches, warmes Gewicht und seufzte. Ich merkte, wie es um meinen Mund rum zu kribbeln begann, so als könnte ich sie verschlingen wie einen Schokoriegel.
    »Ah- ma !«, sagte Celestia und biss mit beiden Zähnen in meine Schulter, und zwar bis auf den Knochen.
    »Das ist ein Kompliment«, erklärte Tabitha, während ich meinen Schmerzensschrei verschluckte. »Sonst beißt sie nur mich , und ich sage immer zu Jeremy, das ist ein Zeichen dafür, dass sie mich liebt!«
    Ich strich über Celestias Haar, das weicher war als Gänsedaunen. Dann legte ich meine Wange an ihren Kopf und atmete ihren Duft ein. Und dann musste ich sie zurückgeben.
    »Danke«, sagte Tabitha.
    Ich schüttelte den Kopf. Auf dem Wohnzimmerboden lag eine schmutzige Windel. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich sie ignorieren oder in den Mülleimer werfen sollte. Tabitha folgte meinem Blick.
    »Ich habe sie gerade gewickelt«, versicherte sie hastig.
    Ich hob die Windel auf und fragte: »Also, was ist mit dem Kindermädchen?«
    Tabithas Augen wurden schmal. »Tomas zerbricht fast unter all den Veränderungen in seinem Leben: eine neue Schwester, ein neuer Kindergarten. Er ist verunsichert, weil sich der gewohnte Lebenslauf verändert hat, und führt sich deshalb auf wie Saddam Hussein - wobei ich nicht ungerecht
gegen Saddam Hussein sein möchte. Tomas braucht besonders viel Sicherheit und Zuspruch, und ich tue mein Bestes, aber gleichzeitig bin ich dabei, mein neues Unternehmen aufzubauen, und Celestia schläft so gut wie nie. Es ist nicht leicht.« Sie schwieg kurz. »Ich behandle Tomas nicht immer so, wie ich es sollte.«
    Ich sah sie an.
    »Ab und zu brülle ich ihn an, und manchmal frage ich mich, ob ein Fremder, der uns belauscht, wohl wissen würde, dass ich ihn liebe.« Sie senkte den Blick.
    Ich sagte: »Vielleicht ist es gut, wenn Tomas weiß, dass es dich wütend macht, wenn er was Böses tut.«
    »Manchmal, wenn ich an die Zeit nach seiner Geburt denke, sehe ich ganz deutlich, dass ich dieses wunderbare Kind mit … weniger Respekt und Fürsorge behandle, als ihm zusteht, und dann fühle ich mich richtig schlecht.« Sie fügte hinzu: »Bestimmt denkst du, dass ich ganz schön Nerven habe, ausgerechnet dir damit zu kommen.«
    Ich stutzte. »Nein«, sagte ich dann.
    »Mich über mein Los zu beschweren.«
    Ich überlegte kurz. »Du warst ehrlich. Und du hast es mir erklärt. Wir beide reden über das wirkliche Leben.« Ich atmete aus. »Manchmal«, sagte ich, »passiert etwas Schlimmes - jemand stirbt, oder du bleibst mit dem Ärmel an der Türklinke hängen -, und all das Unglück, das du still in dir herumgetragen hast, gerät ins Rutschen wie eine nasse Sandbank.«
    »Ja?«, fragte Tabitha, als würde ich eine Gutenachtgeschichte erzählen.
    »Und wenn du dich wieder freischaufeln willst, ist es hilfreich, all die einzelnen Körner zu identifizieren, aus denen sich der Haufen zusammensetzt.«

    »Warst du damit so beschäftigt, Elizabeth?«
    »Vielleicht. Ein Problem zu verstehen löst es nicht unbedingt, aber es hilft. Also, was ist mit dem Kindermädchen?«
    Tabitha blinzelte. »Entschuldige? Ach ja! Das Kindermädchen.« Sie holte tief Luft. »Ich habe eine Anzeige aufgegeben - die Agenturen sind nutzlos -, und diese Sasha hat geantwortet. Ich erkläre ihr, was ich erwarte - und sie immer nur ja, ja, ja.«
    Tabitha sah mich fast flehend an. »Ich habe ihre Referenzen gelesen. Ich hatte keine Zeit, dort anzurufen. Sie hat Erfahrung, aber keine Qualifikation. Sie sah nett aus. Gestern stand sie vor der Tür - die nächste Veränderung für Tomas, die seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden lässt - von Mummy getrennt zu werden. Also stellt er sie auf die Probe und versucht sie mit dem Schlauch nass zu spritzen. Eine professionelle Erzieherin würde überlegen, wo liegt die Wurzel für dieses ungezogene Verhalten? Fühlt er sich vielleicht bedroht? Und dann würde sie mit ihm daran arbeiten. Nach zwei Stunden erklärt mir diese kleine Madame: ›Ich hatte bis jetzt noch nie Probleme, mit einem Kind Kontakt aufzunehmen!‹ Als wäre es seine Schuld! Er hat Pipi in unserem Garten gemacht, und

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