Meine Schwester und andere Katastrophen
sie hat eine Miene gezogen, als wäre er Prinz Charles. Er ist drei! Ein Kindermädchen mit null Toleranz für kindisches Verhalten bei Kindern! Und dann sitzt sie mit Tomas in seinem Zimmer und zieht offenbar eine finstere Schnute, denn plötzlich schlägt Tomas auf sie ein. Kinder tun so was nur, wenn sie verängstigt sind. Sie sagt, er hätte ihr erklärt: ›Du kannst mich nicht leiden. Ich gehe nach unten zu Mummy und Celestia, die können mich leiden.‹ Sasha - dieses dumme, dumme Ding - sagt zu mir: ›Dabei habe ich ihn nicht mal geschimpft!‹
Tomas ist ein kluges, empfindsames Kind, sie brauchte ihn
nicht zu schimpfen, er konnte ihre Abneigung spüren! Und als sie heute erschien, die Arme vor der Brust verschränkt, trug sie einen minzgrünen Schal mit Silberfäden und Keilabsätze! Sie bindet sich nicht mal die Haare zurück. Sie sieht aus, als wollte sie zum Casting für eine Shampoowerbung! Und dann habe ich sie gebeten, Celestia zu füttern - Hühnchen und Kartoffelbrei -, und Celestia wendet sich nach dem fünften Bissen ab. Und was tut Sasha? Sie schiebt die Schüssel beiseite!«
Ohne dass ich es wollte, sah ich sie verständnislos an.
Tabitha kreischte auf: »Man hört nicht nach dem fünften Bissen auf! Du singst den Kleinen was vor! Du schwenkst Brot vor ihrer Nase und mogelst ihnen das langweilige Essen rein, sobald sie den Mund aufreißen!«
Tabitha drückte mir Celestia in die Arme, brach auf dem Sofa zusammen und in Tränen aus.
»Tabitha«, sagte ich, »sie hört sich nach einer absoluten Fehlbesetzung und total ignorant an - aber du kannst sie wieder loswerden.« Ich zögerte. »Was für eine unangenehme Erfahrung, aber du hattest sie erst zwei Tage! Ich verstehe nicht so richtig , wieso du dich so aufregst.«
Tabitha sah auf. » Ich verstehe nicht so richtig, warum ich mich so aufrege. Vielleicht ertrage ich es einfach nicht, dass jemand mein Kind so offen ablehnt. Ich hasse sie. Aber vor allem bin ich wütend auf mich selbst - weil ich sie ausgesucht habe. Ich habe Tomas diese Erfahrung machen lassen. Ich sehe, wie fassungslos und unglücklich er ist, und habe das Gefühl, dass ganz allein ich daran schuld bin.« Sie sah mich an. Ich sagte: »Vergiss es. Du hast einen Fehler gemacht. Das passiert jedem. Akzeptiere, dass du einen Fehler gemacht hast, und korrigiere ihn. Schmeiß die Schlampe raus.«
Tabitha wischte die Nase am Ärmel ab. Die göttliche Celestia
hatte ihre Mutter in einen ganz gewöhnlichen Menschen verwandelt. »Du hast recht«, sagte sie. Sie stand auf und streckte die Arme nach dem Baby aus. »Sobald sie von ihrem Ausflug zurück sind, schmeiße ich sie raus. Ich werde das Kindermädchen sein. Arbeiten kann ich immer noch … nachts!«
Ich nickte. Ich nehme an, eine wirklich gute - oder neugierige - Freundin hätte Tabitha ermuntert, sich das ganze Leid von der Seele zu reden. Aber ich war noch nicht gefestigt genug, um Obi-Wan Kenobi zu spielen. In mir fühlte es sich immer noch leer an. Mir war klar, dass ich ihr anbieten sollte, auf Celestia aufzupassen, während Tabitha mit Tomas Frieden schloss. Aber ich konnte nicht. Obwohl ich dieses Baby höchstens eine Minute lang gehalten hatte, hatte ich damit einen Derwischtanz von Gefühlen ausgelöst, die ich kaum kontrollieren konnte. Ich würde sie nach den mir zugestandenen Stunden zurückgeben und anschließend zu Boden sinken, erdrückt vom Gewicht des Nichthabens.
»Vielleicht«, sagte ich, »könnte ich morgen mit Tomas rausgehen. Morgen! Würde dir das helfen? Dann könntest du was wegschaffen, sobald das Baby schläft.«
Tabitha war verstummt.
»Ich würde dir ja anbieten, das Baby zu übernehmen, aber … ich habe keine Erfahrung mit Babys.«
Zing!
»Das wäre nett«, sagte Tabitha. »Damit würdest du mir sehr helfen.«
»Na gut«, sagte ich. »Dann bis morgen. Zehn Uhr?«
»Halb zehn?«
Am folgenden Morgen war immer noch nichts von Tim zu sehen, obwohl ich so laut wie nur möglich vor dem Nachbarhaus
auf und ab geklackert war. Tabitha - gespenstisch grell in einem weiteren Panikdress - war bemüht, ihren Sohn auf mich aufmerksam zu machen, aber Tomas saß wie in Trance vor dem Kinderkanal, den Mund halb offen, die Augen weit aufgerissen, und war allem Anschein nach nicht mehr in der Lage, den Kopf zu drehen. Ich spürte einen leisen Anflug von Panik.
»Ding-dong, die Hex’ ist tot?«, fragte ich.
Tabitha nickte. »Ich habe ihr einen Scheck ausgestellt. Sie kam mit Miesepetermiene vom Park
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