Meine Schwester und andere Katastrophen
zurück. ›Wir müssen reden‹, hat sie zu mir gesagt. Tomas hatte sie mit Sand beworfen. Mein Gott! Sie mäkelt an seinem Verhalten rum, als wäre er ihr fester Freund - mein Freund hat mich mit Sand beworfen! Mein Freund hat in den Garten gepinkelt! Mein Freund hat versucht, mich mit dem Schlauch nass zu spritzen!«
»Aber jetzt ist sie weg«, hakte ich nach.
Tabitha holte tief Luft. »Ja!« Sie lächelte. Zwischen ihren Zähnen klemmten zwei Himbeersamen. »Weg, weg, weg! So. Und was willst du mit Tomas unternehmen? Ich habe ihm den Becher eingepackt und den Sonnenschutz und seine gelbe Fleecejacke, seinen Sonnenhut, sein Vesper - Rosinen und Haferkekse -, einmal Wechselkleidung, nur für alle Fälle, aber er ist sehr gut, obwohl du ihn im Auge behalten musst, solange er auf dem Klo sitzt. Du könntest mit ihm auf den Spielplatz, allerdings wird er dort auf alles raufklettern wollen, und du musst mitklettern, und lass ihn bloß keine Sekunde aus den Augen. Wenn er irgendwo draufsitzt und eine andere Mutter mit ihrem Kind ankommt und sagt: ›Du bist gleich dran, Schatz‹, lächelst du nur und stellst dich taub. Lass bloß nicht zu, dass er seinen Platz für ein anderes Kind freigibt - hier scheren sich alle einen feuchten Dreck um die
anderen Kinder, das ist hier ganz normal! Bestimmt will er ein Eis, aber dann sagst du: ›Mal sehen, vielleicht morgen‹, und hier sind die Wischtücher, pass auf, dass er sich die Hände abwischt, bevor er was isst, und bestimmt will er einen Stock suchen, dann musst du vielleicht Ritter spielen und alle Bösewichte töten, und wenn er -«
»Vielleicht solltest du das aufschreiben«, murmelte ich. »Es ist schon länger her, seit Tomas und ich …«
Tabitha sah mich besorgt an. »Ich weiß!«, meinte sie dann. »Ich rufe Tim an und frage ihn, ob er mitkommen kann, er … er kann ziemlich gut mit Tomas.«
Mein Herz pochte; hatte ich diesen Plan nicht von Anfang an verfolgt?
» So gut ist er auch wieder nicht«, hörte ich mich ärgerlich sagen.
»Ach ja?«, sagte Tabitha, und ich musste an Tomas’ letzten Besuch bei uns denken. Er hatte einen neuen Action Man, mit dem er und Tim spielten.
Tomas: »Was ist das für ein Strich auf seinem Gesicht?«
Tim: »Eine Narbe.«
Tomas: »Warum?«
Tim: »Seine Freunde wollten ihn schick machen, und dabei ist ihnen der Kajalstift ausgerutscht.«
»Tim« , hatte ich gesagt.
»Entschuldige«, sagte Tim.
Wenige Minuten später drehte Tim Pirouetten mit Action Man. »Da-diidii-da Diidiidii Da-da-DAH! … Ich tanze Ballett! Ich tanze Bal- lett! Oh! Da kommen meine Freunde. Was machst du da, Action Man? Öhm, ich mache Aikido! Hija! …«
»Damit meine ich, dass ich lieber mit Tomas allein sein möchte.«
Tabitha sah mich streng an. »Wann hast du Tim das letzte Mal gesehen?«
»Wieso?«
»Wann?«
»Wieso? Stimmt was nicht? Arbeitet er? Oder ist er eher am … Feiern?«
»Frag ihn doch.«
Ich zog die Stirn in Falten. »Tabitha«, sagte ich. »Wir haben uns getrennt.«
Tabitha lächelte. »Elizabeth, du hast einen Fehler gemacht. Das passiert jedem. Akzeptiere, dass du einen Fehler gemacht hast, und korrigiere ihn.«
»Hoho!, Tabitha.«
Aber sie reichte mir dennoch das Telefon und ging aus dem Zimmer.
Ich seufzte. Dann verdrehte ich die Augen und wählte.
»Hi«, sagte ich. »Ich bin’s, Lizbet. Ähm. Hör zu, ich habe mir für heute Vormittag einen jungen Mann namens Tomas ausgeborgt und wollte wissen, ob du möglicherweise Zeit hättest, uns bei einem Besuch im Park Gesellschaft zu leisten. Ich dachte, du könntest vielleicht etwas Übung gebrauchen …«
Cassie
KAPITEL 34
Kinder lenken ab, genau wie Hunde. Kein Wunder, dass Menschen in einer Ehe, die keinen mehr befriedigt, welche haben wollen, um peinliche Pausen zu überbrücken. Aber es gab tatsächlich keine Untertöne. Es war ein sonnenbestrahltes Vergnügen von einem Morgen, und ich freute mich irrsinnig, dass Lizbet mich angerufen hatte. Wir gingen mit Tomas in den Park, eine Welt mit Millionen Müttern, Kinderwagen und Babys. Ich fragte mich natürlich, ob das Lizbet zu viel würde, aber sie kümmerte sich mit einer Einfühlsamkeit um Tomas, die ich lange nicht mehr bei ihr beobachtet hatte. Er hatte ihre ganze Aufmerksamkeit, sie dachte überhaupt nicht mehr an sich.
Um Punkt zwölf Uhr dreißig lieferten wir einen glücklichen, sandverkrusteten Tomas bei seiner Mutter ab.
»Ob sie das stört?«, fragte ich. »Er sieht aus wie ein
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