Meine Schwester und andere Katastrophen
der sie glücklich macht.«
»Wollten deine Eltern das für dich? Sie kamen mir ausgesprochen freundlich vor, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Waren sie insgeheim enttäuscht, dass ich ein Goj bin?«
»Oh!« Ich wollte ihn nicht belügen. »Ich glaube«, sagte ich, »dass ein paar entfernte Cousinen murren und meine Wahl missbilligen werden. Aber die Menschen, die wirklich zählen - Mummy und Daddy -, werden, glaube ich, sehen, wie sehr du …«
»Wie sehr ich dich vergöttere?«, sagte Barnaby.
Ich wurde rot. Nickte. »Und das genügt ihnen.«
Barnaby strahlte. »Warum sollten meine Eltern da anders sein?«
»Weil sie dich mit all den Pferden, den Kindermädchen, dem Landsitz, dem Internat von frühester Kindheit an auf eine standesgemäße Riesenhochzeit mit der Tochter eines Earls hingetrimmt haben.«
Barnaby kippte bebend vornüber auf den Boden, und normalerweise wäre ich aufgesprungen, aber ich stand panisch ganz vorsichtig auf. »Was ist denn? Barnaby! Ist alles in Ordnung?«
Er drehte sich auf den Rücken, und ich sah zu meiner Erleichterung - und Überraschung -, dass er lachte. »Cassie«, sagte er. »In jedem Korb findest du ein paar faule Äpfel, aber deshalb wirfst du sie doch nicht alle weg! Das wäre lächerlich! Und obendrein eine Beleidigung gegenüber vielen anständigen Menschen.«
»Du hast recht. Entschuldige. Mein üblicher Verfolgungswahn. Kusch, kusch!«
»Ich glaube, es wird Zeit, dass du meine Eltern kennen lernst.«
Mein Herz machte einen Satz. »Bist du sicher? Aber ich habe nichts anzuziehen! Ich habe nur noch diese garstigen Schwangerschaftshosen, und das Top dehnt sich so über meinem Bauch, dass man durchsehen kann. Und ich habe auch kein Geschenk! Sie erwarten bestimmt ein paar Gläser Marmelade von Harrod’s und eine Kaschmirdecke für den Hund, oder?«
Barnaby half mir aufzustehen, und dann gab er mir einen langen, sinnlichen und süßen Kuss. »Deswegen bin ich kein bisschen weniger aufgekratzt«, sagte ich.
»Komm«, murmelte er. »Gehen wir.«
»Gehen wir … gleich.«
»Nur um eines klarzustellen«, sagte Barnaby, als er später über die North Circular Road fuhr. »Ich billige deine Verzögerungstaktik.«
»Wie lange werden wir brauchen?«, fragte ich, während der Wagen durch West Ealing brummte - ein adretter Vorstadtbezirk im Norden Londons, grün und grau zugleich und gespickt mit den üblichen Verdächtigen: Blockbuster, Woolworths, Sainsbury’s. »Ich habe vergessen, was zu essen und zu trinken mitzunehmen. Wir müssen vielleicht noch mal kurz anhalten, um Vorräte einzukaufen. Wenn ich ein paar Stunden
lang nichts esse, sinkt mein Blutzucker, und mir wird schwindlig. Wo ist noch mal euer, äh, Familiensitz? Cheshire? Hertfordshire? Ich weiß nicht mehr, was du gesagt hast.«
»Gar nichts«, sagte Barnaby und bog in eine mit Natursteinplatten gepflasterte Einfahrt ein. »Wir sind schon da! Unser Familiensitz!«
Ich saß da und rührte mich nicht vom Fleck. Wir blickten auf eine geräumige Doppelhaushälfte mit weiß gekalkten Backsteinmauern und grünem Dach, einer lasierten Haustür und dem größten Einbrecheralarm, den ich je gesehen hatte. Barnabys Wagen klemmte zwischen einem blauen, verwegen schief geparkten Ford Fiesta und einem grauen Mercedes.
Ich konnte nichts sagen als: »Soll das ein Scherz sein?«
Ich war sicher, dass wir uns auf dem Grund eines Fremden befanden und dass in drei Sekunden ein Irrer aus dem Haus stürmen und mit einer Gurke auf unsere Windschutzscheibe einprügeln würde.
Noch während ich das fragte, ging die Haustür auf, und eine große schlanke Frau mit honigblondem Haar und Pagenschnitt kam heraus. Sie trug schwarze Jeans, Slingbacks und eine weiße Bluse mit offenem Kragen. Ihr folgte ein Mann, etwas kleiner als sie, mit einem dichten Schopf grauer Haare und einem schüchternen Lächeln. Er trug einen Krankenhauskittel (aber immerhin keine Chirurgenmaske).
»Das ist kein Scherz«, hauchte ich. Und dann: »Dein Vater ist Chirurg!«
»Nein«, korrigierte Barnaby. »Er war im Schuhgeschäft. Jetzt repariert er Saxophone.«
»Ach was! Aber der Kittel …«
»Er findet die Dinger einfach bequem. Er lässt sie sich von einem Freund aus L. A. schicken - sie verkaufen sie im Costco für so gut wie nichts.«
»Hallo, mein Bester!«, sagte die Frau zu Barnaby und tippte dabei mit ihren langen, manikürten Fingernägeln gegen das Fenster. Sie lächelte mich an. »Lassen Sie sich anschauen, meine Liebe! Also,
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