Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
Vom Netzwerk:
stand dir die Angst, nie Kinder zu bekommen, in 3-D vor Augen.
    Hör zu, Mädchen«, ihre Stimme wurde sanfter, »natürlich liebt er dich. Natürlich will er Kinder mit dir haben. Aber trotzdem rate ich dir dringend, diesmal nach Plan vorzugehen - schreib ihm einen Brief und erkläre ihm um Gottes willen, warum du am Freitag so ausgeflippt bist. Dann lass ihm Zeit, über alles hinwegzukommen, und alles wird sich regeln - unter einer Bedingung: Es gibt einen entscheidenden Fehler , den du machen könntest, und du musst mir versprechen, dass du ihn um jeden Preis vermeidest. Lass es dir gesagt sein.« Sie verstummte.
    Ich hielt den Atem an und presste den Hörer ans Ohr, damit mir auf keinen Fall dieses strahlende Juwel der Weisheit entging, mit dem sie mich beglücken würde.
    »Tick nicht total aus.«
    »Verzeihung? Wie bitte? Ist das ein juristischer Fachausdruck?«
    »Genau, das sage ich immer zum Richter.«
    »Na schön.« Ich spürte den Hauch eines Lächelns. »Ich verspreche, ich werde nicht total austicken.«

Cassie

KAPITEL 40
    Barnaby saß auf dem Boden, eine Vision in Boxershorts, und mühte sich ab, die Wiege zusammenzubauen.
    Schnell, irgendjemand muss ein Fotoposter machen!
    »Sag mal, wissen deine Eltern, dass du mit mir … zusammen bist?«
    Ich merkte, dass ich es nicht aussprechen konnte.
    Auf der Cambridge University gehörten meine Freunde - scheinbar - zu den intelligentesten Menschen im ganzen Land. Sie hatten von Haus aus ein gesundes Selbstbewusstsein, sie waren in ihren kurzen Hosen direkt aus ihren luxuriösen Vorstadtvillen in die besten Privatschulen des Landes verfrachtet worden, und ihr Aufstieg nach Oxbridge war keine phänomenale Leistung - wie bei meinesgleichen -, sondern eine feste Erwartung, eine Tradition. Ihre Familien waren zum Beispiel seit Generationen Magdalenen-Männer. Und doch legten sie, trotz ihres Reichtums und ihrer guten Erziehung, ab und zu eine erschütternde Ignoranz an den Tag.
    »Bist du mit dem Taxi vom Bahnhof hergefahren, Matthew?«
    »Nein, ich bin zu Fuß gegangen. Ich bin da ein bisschen jüdisch.«
    Es war nicht böse gemeint. Matthew, Mark, Luke, John, wie auch immer - alle mochten mich, ich war niedlich. Aber
sie waren noch nie jemandem jüdischen Glaubens begegnet - meinten sie wenigstens -, daher war ich für sie stets die kleine Jüdin, so wurde ich definiert. Hier war ich exotisch - was für mich ein Schock war, nachdem ich in London aufgewachsen und mit weißen Kindern, schwarzen Kindern, Mittelklassekindern und Arbeiterkindern in die Schule gegangen war, mit jüdischen, protestantischen, katholischen, buddhistischen und moslemischen Kindern, mit japanischen, rumänischen, pakistanischen … blond, rothaarig, lockig und, ach, keine Ahnung! Niemand achtete darauf - vielleicht weil man andernfalls gar keine Freunde gefunden hätte -, es gab keine Uniformität, wir waren alle verschieden.
    Ich war mir nie zuvor meiner Religion bewusst gewesen. Aber in Cambridge änderte sich das. Und nachdem es, abgesehen von der Religion, noch mehr Unterschiede zwischen mir und den Lukes und Johns gab - schließlich zielt die Privatschulausbildung einzig und allein darauf ab, ein Brandzeichen auf der Stirn jedes Schülers zu hinterlassen -, empfand ich mich zum ersten Mal in meinem Leben als Außenseiterin.
    Ich fragte mich, was Barnabys Eltern von mir halten würden.
    »Aber ja.«
    »Und was … meinen sie dazu?«
    »Mutter liebt Kinder. Ich glaube, sie kann es kaum erwarten, Baby Clyde den Hintern zu küssen. Wenn dich die Vorstellung nicht zu sehr erschreckt. Bestimmt will sie ihm erst die Hand geben und Komplimente austauschen. Vater behauptet, er hätte in seinem ganzen Leben noch keine Windel gewechselt und würde jetzt nicht damit anfangen. Was gelogen ist. Mutter meint, er hätte etwa zehntausend Windeln gewechselt. Er hofft nur, dass er sich diesmal davor drücken kann.«

    »Barnaby! Ich meine es ernst! Wirklich. Was halten sie von mir? Komm schon! Ich bin wohl kaum das, was sie sich für dich gewünscht haben. Was sie sich« - ich stählte meine Stimme, da ich entsetzt begriff, dass sie gleich brechen würde - »für dich erhofft haben.«
    Barnaby legte den Schraubenzieher auf den Boden und lächelte mich an. »Cass«, sagte er. »Meine Eltern haben sich für mich eine Frau erhofft, die mich glücklich macht.«
    Ich verdrehte die Augen. »Barnaby, du bist der Elternpropaganda auf den Leim gegangen. Das sagen sie alle. Aber in Wahrheit wollen sie jemanden,

Weitere Kostenlose Bücher