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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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und er vor Schreck in Ohnmacht fiel. Klonk!
    Sobald ich darüber nachdachte, was ich eventuell tun würde, schloss sich eine kalte grüne Hand um mein Herz, bis ich keine Luft mehr bekam. Wir haben nur ein Leben - kann man das mit dem falschen Menschen verbringen und es trotzdem genießen? Geld erleichtert die Sache. Aber nicht so sehr, wie man meinen könnte. Vorletztes Jahr waren George und ich im Datai auf Langkawi. Das Datai ist ein exklusives Luxushotel irgendwo am Rand des Regenwaldes, mit Privatstrand. Wir hatten einen Dschungelbungalow gemietet und fütterten die Affen mit Bananen. Es war der perfekte Urlaub, abgesehen von zwei Kleinigkeiten: Einer der Affen hatte Husten; und ich hatte George dabei.

    Wenn ich beobachtete, wie George wie ein Ganter durch die Wellen des indischen Ozeans paddelte, spürte ich einen heißen, ärgerlichen Stich. Ich hatte das Gefühl damals ignoriert und mir vorgehalten, dass es nur wenige Männer gab, die in Badekleidung wirklich gut aussahen. Inzwischen habe ich so eine Ahnung, dass die Fäulnis schon damals an unserer Beziehung zu fressen begonnen hatte.
    Ich winkte George damals zu und bestellte ihm einen Cocktail, um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Aber trotzdem musste ich an Lizbet und Tim denken, die zur gleichen Zeit in einem kuschligen Bed and Breakfast auf der Isle of Wight Urlaub machten. Ich weiß, dass es ein Sakrileg ist, aber ich malte mir trotzdem heimlich aus, dass Tim statt George bei mir gewesen wäre. (Nichts Wildes, natürlich, nur bei mir.) Tim ist witzig. Und er ist auf niedliche Weise jungenhaft. Er ist groß und rundlich, hat ein Sommersprossengesicht, ein schiefes Grinsen, nette Augen und einfach unglaubliches Haar. Es ist rötlich blond, lockt sich an den unmöglichsten Stellen und ist wunderschön. Der Farbton ist so ungewöhnlich - hier hellorange, dort silberblond -, dass ich ihn bei unserer ersten Begegnung fragte, was das für eine Tönung sei.
    »Hab ich meinen Eltern zu verdanken«, sagte er. »Besten Dank auch.«
    George hingegen nahm sich selbst sehr ernst, und das begann mich allmählich zu langweilen. Ich weiß, es klingt gemein, aber ich fand sein ständiges Getue ums Essen weibisch . Welches männliche, nicht schwule Wesen mit etwas Selbstachtung hätte je die Worte gesprochen: »Ich esse nur Biorosinen, die anderen sind die reinsten Pestizidbomben«? Und er machte Yoga. Also, das wäre okay gewesen, wenn er in, sagen wir, L. A. gewohnt hätte. Da drüben ist das wahrscheinlich
normal. Aber George ist aus Friern Barnet - da gehört sich das nicht. Und es war unmöglich, mit ihm zusammen fernzusehen, weil George, wenn jemand auf dem Bildschirm erschien, unausweichlich ausrief: »Der hat aber zugelegt!« Und falls es ein Nachrichtensprecher war, schickte er dem Sender eine Beschwerdemail. Am Anfang unserer Beziehung hatte ich das noch lustig gefunden.
    Im Grunde ging es nicht um die kleinen Dinge; jeder, der in einer Langzeitbeziehung steckt, weiß, dass die kleinen Dinge nur symbolisch für die große Sache stehen. ( O Gott! Ich glaube, ich habe eben unfreiwillig Lizbet zitiert. Ihr nächster Satz war: »Außer beim Schwanz. Ich fürchte, beim Schwanz ist jede Symbolik bedeutungslos.« Und das von der Frau, die bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag den Penis als »Pipimann« betitelte.) Die große Sache war, dass George seine Energie nicht in unsere Beziehung steckte. Er kümmerte sich fanatisch um unser Haus, aber es gibt einen Punkt, an dem der Stolz auf das eigene Heim nicht mehr die Beziehung widerspiegelt, sondern eher davon ablenken soll.
    Als wir zusammenkamen, hatte ich das Gefühl, dass George beliebt ist - allerdings hatte ich nicht berücksichtigt, bei welchen Leuten. Inzwischen hatte ich begriffen, dass George sich als Mentor für jene unter seinen Freunden betrachtete, die noch größere Versager waren als er selbst. Einmal verbrachte er in einer Woche vier Abende damit, seinem idiotischen Freund Kurt einen halbwegs glaubwürdigen Lebenslauf zusammenzubasteln. Kurt war sein Spezialprojekt. (Ich für meinen Teil war der Auffassung, dass sich Kurt eher als Spezialprojekt für das Sozialamt geeignet hätte, aber ich weiß, dort kämpft man mit Personalknappheit.) Kurt wohnte in einer Erdgeschosswohnung in einer sauberen Vorstadtstraße voller Vorgärten mit roten Blumen in Terracottatöpfen
- gar nicht so weit von Lizbets Haus entfernt. Nur Kurts Vorgarten sah anders aus.
    Kurt arbeitete sporadisch von zu Hause aus

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