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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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an mir wäre irgendetwas verkehrt, als müsste ich irgendetwas tun, was ich noch nicht tue.
    Ich habe die Nase voll, dauernd das Gefühl zu haben, ich hätte einen Zug verpasst oder irgendein wichtiges Problem noch nicht gelöst.
    Mein Gott, so bin ich eben!
    So ist das bei mir, da ist nichts zu machen.
    Keiner kann bei sich selber was machen, Punkt.
    Ich gefalle mir zwar nicht, aber ich will mich nicht ändern, okay?
    Lasst mich doch alle in Frieden!
    »Rate, was passiert ist?!?«, kräht Espe, als er euphorisch in mein Zimmer gestürmt kommt. Er wedelt mit seinem Handy und kann es kaum erwarten, mit den Neuigkeiten herauszuplatzen.
    »Jennifer Lopez hat gerade eine Programmänderung durchgegeben: Wir essen bei ihr !«
    Ich nehme die Nachricht zur Kenntnis und beschließe, vorerst nicht darauf einzugehen.
    »Könntest du es vielleicht sein lassen, dir beim Sprechen ständig an deinem Sack rumzufingern?«, antworte ich kühl.
    Espe wirft einen Blick auf sein Zwischengeschoss. (Seine Hand befindet sich tatsächlich noch immer dort, und er zieht sie schnell weg.)
    »Entschuldige«, antwortet er mit gespielter Verlegenheit, »aber was soll ich machen, er ist eben einfach sperrig.«
    Ich stütze den Ellbogen auf den Schreibtisch JONAS , spreize Zeigefinger und Daumen der rechten Hand auseinander und nutze sie als Pflöcke, auf denen ich resigniert meine Stirn ablege.
    »Und? Fällt dir dazu gar nichts ein?«
    »Doch, eine Sache.« Ich sehe ihn aus meiner nachdenklichen Pose heraus schräg an. »Ich kann mich nicht entsinnen, dir gesagt zu haben, dass du die Verabredung mit deinen beiden, na ja, Freundinnen schon bestätigen kannst.«
    »Du sagtest doch zwanzig Minuten , oder nicht?«
    »Schon. Aber was heißt das?«
    »Sieh nach: Das war vor fünfundzwanzig Minuten.«
    »Ach so läuft das: Nach Fristablauf gehst du automatisch von Zustimmung aus?«
    Espe sieht mich flehentlich an. »Du wirst doch nicht jetzt, wo Jennifer Lopez alles bei sich zu Hause organisiert hat, die Einladung platzen lassen?«
    »Tja, das würde nicht gut aussehen, stimmt’s?«
    »Genau. Du sagst es.«
    »Herrgott nochmal, Espe, es ist wirklich ein Elend mit dir.«
    »He, Alter, das ist die Geschichte meines Lebens. Also was?«
    » Ja! Meinetwegen! Ich komme mit. Aber nur, wenn du endlich Leine ziehst.«
    Er bläst die Backen auf und wedelt mit den Händen in der Luft, als müsse er klarmachen, wie viel Schweiß ihn meine Zustimmung gekostet hat, aber da er seinen Zweck endlich erreicht hat, kostet es ihn nicht mehr allzu viel, sich zu verkrümeln.
    Eine Weile starre ich ins Leere, dann senke ich den Blick lustlos auf die Unmenge Zeitungen, die auf dem JONAS rumliegen, und denke mir, dass ich noch eine ganze Woche lang darauf sitzen bleiben werde, weil die Müllabfuhr das Papier gerade erst am Vortag abgeholt hat.
    Und genau in dem Moment, in dem ich mich frage, ob es in Anbetracht der Raummaße meiner, na ja, Kanzlei nicht vielleicht besser wäre, sie mit nach Hause zu nehmen, habe ich eine Vision: Ich öffne die Tür, ziehe sie hinter mir zu – und noch bevor ich den Packen Zeitungen auf dem Fußboden abgelegt habe, spüre ich schon, wie aus dem Schlafzimmer die Abwesenheit von Alessandra Persiano hervorbricht, durch den Korridor angesaust kommt und mich Sekunden später überrennt, mich in ihren Windungen verschluckt wie der Schwarze Rauch aus Lost.
    Eigentlich müsste ich jetzt eine Panikattacke kriegen, aber stattdessen bemerke ich, dass die Vorahnung seltsam vertraut auf mich wirkt, mir sogar ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
    Anfangs kann ich mir das nicht erklären.
    Aber dann kommt mir plötzlich, anstrengungslos, ein Refrain in den Sinn:
    Geh unter die Leute, wie’s dir als Frau gefällt
    Zieh durch die Städte, kreuz und quer durch die Welt …
    Diario!
    Meine Güte, wie viele Jahre hab ich das nicht mehr gehört!

Mein Lieblingsstück von Equipe 84
    Falls es jemand noch nicht weiß: Equipe 84 hieß eine italienische Band, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren aktiv war (bis heute fraglos eine unserer besten).
    Zeitgleich mit den Rokes (die von È la pioggia che va und Che colpa abbiamo noi ) konkurrierten sie mit der vorzüglichen Band von Shel Shapiro um den Titel ›Vorkämpfer des italienischen Beat‹.
    Selber gesehen habe ich sie nur ein einziges Mal (ich glaube, das war 1976), auf der Festbühne eines Dorfplatzes im Hinterland von Salerno. Ihre Karriere lag damals schon in den letzten Zügen, aber trotzdem ergriffen die

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