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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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Alles Gute für den Prozess.‹) hätte genügt, um die Distanz zu wahren, ohne mich das Gesicht verlieren zu lassen. Und was mache ich Trottel stattdessen? Ich gehe hin und vermassle mir meine gute Verhandlungsposition und die Aura von Coolness mit diesem einen dämlich-feindseligen Satz, der verrät, wie gereizt und schwach zugleich ich bin. Diese Erkenntnis habe ich ihr zu allem Übel auch noch auf dem Silbertablett serviert (obwohl man gerade solche Sachen natürlich ohne Weiteres auf Plastiktellern servieren könnte).
    So ist das mit den Kurznachrichten immer: Sie wiegen dich in der Illusion, du könntest die Reaktion, die du auslösen wirst, vorhersehen, aber das stimmt nicht. In solchen Situationen fühlst du dich vielleicht durch und durch strategisch, du bist aber bloß auf eine andere Art impulsiv.
    Wenn ich mich per SMS aufs Streiten verlege, baue ich immer nur Scheiß. Und da ich ihn schriftlich baue, ist er gleich noch als Beweis zu meinen Ungunsten dokumentiert.
    Leider ist auf mich emotional absolut kein Verlass: Die Wut ist bei mir etwas Labiles; es braucht nicht viel, und schon erkenne ich die Gründe der Gegenseite an, besonders, wenn die Gegenseite meine Lebenspartnerin ist.
    Anders gesagt: Ich leide an vorzeitiger Kapitulation. (Möglicherweise ist diese Tendenz, viel zu schnell das Handtuch zu werfen, ja auch der Hauptgrund für die Beziehungsdesaster, die ich mir immer wieder einbrocke.)
    Als ich reinkomme, sitzt Assunta zusammengekauert auf dem Sofa vor dem Fernseher, eingemummelt in eine doppelt gestrickte Wolljacke. Ihre Miene gefällt mir gar nicht, wenn ihr’s wissen wollt.
    Wie lang hab ich sie nicht gesehen, drei Tage, vier?
    Es kommt mir vor, als wären es zwei Jahre.
    Sie wirft mir einen scheelen Blick zu, als ob sie meine Gedanken gelesen hätte. Ich schaffe es gerade noch, schnell eine Ausrede für meine Gesichtsentgleisung aus dem Hut zu zaubern, ehe sie mich darauf anspricht.
    »Ich wusste gar nicht, dass du Mad Men schaust.«
    »Mir gefällt der, der den Don Draper spielt.«
    »Quatsch, oder? Wegen dem schaust du dir das alles an? Stunden über Stunden?«
    »Warum sollte ich mir denn sonst eine ganze Serie mit lauter depressiven Gestalten anschauen?«
    Für einen Moment verschlägt es mir die Sprache, als ob ich die komprimierte Rezension respektlos fände, dann merke ich aber, dass sie meine uneingeschränkte Zustimmung findet. Ich verfolge Mad Men schon seit der ersten Staffel und kann es bis zur nächsten kaum erwarten – aber dermaßen gut auf den Punkt hätte ich die Interpretation nicht bringen können.
    Wie schön ist es doch, wenn sich jemand unbekümmert und unvoreingenommen zu einem kulturellen Medium äußern kann und dabei den Nagel auf den Kopf trifft! (Mir ist das ja leider nicht gegeben.)
    »Oh, das stimmt«, sage ich, »bei denen ist wirklich einer unglücklicher als der andere. Da hast du völlig recht.«
    »Und warum schaust du es an?«
    »Weil mir die gefällt, die die Joan spielt. Was für eine Frage!«
    »Ah, das Busenwunder. Na klar. Wie konnte ich nur fragen?!«
    Ich setze mich neben sie.
    Miorita geht immer wieder zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her und klappert dabei dermaßen mit ihren gefälschten Crocs, dass ich den Verdacht nicht loswerde, dass sie uns absichtlich nerven will (vielleicht ist sie ja sogar eifersüchtig, weil ich der Liebling von Ass bin?).
    Wir plaudern also, Assunta und ich. Alles wie immer. Angenehm.
    Ich arbeite daran, dass sie mir meine Szene am Telefon nach dem Supermarkt nachsieht, als ich ohne Punkt und Komma drauflosquasselte, und sie tut mir den Gefallen und spricht nicht mehr davon.
    Wir kommen auf die Presseschau zu sprechen und sie fragt mich, welchen Effekt es hat, wenn man in allen Zeitungen steht. (Als ich sage: ›Gar keinen‹, sagt sie: ›Sosooo‹).
    Dann will sie wissen, ob mich jemand auf der Straße erkannt hat. (Auf meine Auskunft ›der eine oder andere‹, reagiert sie auf eine Weise hinterwäldlerisch, wie ich das bei ihr nicht für möglich gehalten hätte: ›Sag bloß! Das lässt einen doch nicht kalt, wenn wildfremde Leute plötzlich jede Diskretion aufgeben! Sag, wie hast du dich dabei gefühlt?‹)
    ›Kurios, dass die Leute eher von den Gefühlen als von den Fakten hören wollen‹, schießt es mir durch den Kopf, dann konzentriere ich mich wieder auf meine Ex-Schwiegermutter und antworte: »Na ja.«
    Darauf sie: »Was? Schieß los! Ich will alles wissen!«
    Und ich: »Erinnerst du dich noch,

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