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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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ein mir liebes Gesicht entstellt, da muss ich passen.
    Deshalb gehe ich zurück, setze mich wieder neben meine Ex-Schwiegermutter und greife nach ihren Händen (als wollte ich ihr einen Heiratsantrag machen, irgendwie).
    »Hmmh«, säusle ich, »du magst mich zwar für einen gehorsamen Erfüllungsgehilfen halten – und wahrscheinlich bin ich sogar einer, aber ich komme nicht als Spitzel für Nives her, das schwöre ich dir. Wenn ich dich besuche, dann weil ich es will.«
    Langsam hebt Assunta den Kopf und bringt ihre Augen auf eine Höhe mit meinen. Sie hat wieder den leicht spöttischen Gesichtsausdruck, den ich an ihr kenne.
    »O, das hast du nicht ganz richtig mitbekommen«, sagt sie dann doch allen Ernstes. »Du kommst, weil ich es will.«
    Ich kichere leise vor mich hin. Sie ist wirklich unglaublich, meine Schwiegermutter. »Weißt du, worin du echt gut bist? In Bescheidenheit.«
    Sie runzelt die Stirn. »Ich wollte nur sagen, dass ich endlich so frei bin, selber zu entscheiden, wen ich sehen will und wen nicht.«
    Ich schließe die Augen, schüttle den Kopf und drücke leicht ihre Hände.
    »Hör mal, Ass, es schmeichelt mir natürlich, dass ich zu den Auserwählten gehöre. Aber du solltest dir auch darüber im Klaren sein, dass das Embargo, das du gegen deine Tochter verhängt hast, in der jetzigen Situation ein wenig, wie soll ich sagen … widerwärtig ist, genau: widerwärtig.«
    Sie sperrt die Augen auf, dann wiehert sie belustigt los.
    »Und weißt du, worin du echt gut bist? Darin, immer das richtige Wort zu finden.«
    »Welches meinst du, ›Embargo‹?«
    Sie lacht. »Du bist ganz schön blöd, Vince’, weißt du das?«
    Ich grinse zurück. »Was ist? Bin ich jetzt dein Liebling oder nicht? Wenn ja, dann müsste mich das doch dazu berechtigen zu sagen, was ich denke.«
    »So ist es.« Sie nickt. »Was willst du eigentlich? Du hast gesagt, was du denkst, und bist immer noch hier, wenn ich nicht irre.«
    »Hab ich also recht?«
    »Aber ja doch.«
    »O, mein Gott«, kommentiere ich und streiche mir mit der Hand über die Stirn.
    »Das kommt bei dir nicht so oft vor, stimmt’s?«
    »Haha, sehr witzig. Aber kannst du mir, wenn ich tatsächlich recht habe, bitte erklären, warum du dich dann so benimmst?«
    »Weil ich endlich rausfinden will, wie sich das anfühlt, wenn man sich mies benimmt. Ich werde ja nicht gleich übermorgen sterben, also bleibt mir noch ein bisschen Zeit, die Betroffenen um Verzeihung zu bitten.«
    Ich versuche meine Gedanken zu ordnen, bevor ich antworte. Es ist nicht leicht, wenn du jemanden vor dir hast, der in dieser schmerzhaft ehrlichen Weise Klartext redet. (Sie hat was von der Radikalität des Ingenieurs Romolo Sesti Orfeo, denke ich. Anstrengende Gesprächspartner, alle beide!)
    »Denk mal kurz darüber nach, was du da gesagt hast«, fordere ich sie schließlich auf. »Eben hast du mir noch vorgeworfen, ich würde mich wie ein Zwölfjähriger benehmen. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Glaubst du wirklich, eine Erwachsene würde so reden wie du?«
    »Ich benehme mich wie eine Erwachsene, seit ich vierzehn bin, Vince’. Und weißt du, in Anbetracht der Zeit, die mir noch zum Leben bleibt, ist mir das herzlich egal.«
    »Herrgott nochmal, Ass, du sprichst über deine Tochter . Über deine Tochter und deine Enkel. Die zudem meine Kinder sind. Warum musst du ausgerechnet an ihnen ausprobieren, wie das mit dem miesen Benehmen ist?«
    »Hast du immer Lust, deine Kinder zu sehen? Sie andauernd auf der Pelle sitzen zu haben? Hilflos ihren Einmischungen ausgeliefert zu sein? Nonstop ihre Kommentare anhören zu müssen – zu allem und jedem: Wie du angezogen bist? Wann du aus dem Haus gehst? Und wann du wiederkommst? Und dann erzählen sie dir auch noch brühwarm von allem, was bei ihnen gerade nicht gut läuft, angefangen vom Staubsauger, der dabei ist, den Geist aufzugeben, bis hin zu ihrer Ehe. Sie tun so, als hättest du Energien ohne Ende und nicht ein eigenes Leben mit eigenen Mängeln und eigenen Bedürfnissen. Hast du Lust, drei Viertel deiner Zeit von denen auffressen zu lassen? Irgendwann muss man doch einmal damit aufhören dürfen, sich um seine Kinder zu kümmern, oder etwa nicht?«
    Du lieber Himmel, wie recht sie hat! So sehr, dass ich nicht mal was dagegen sagen würde, wenn mir was einfallen würde.
    »Ich brauche dir ja wohl nicht erst zu sagen, wie sehr ich Nives liebe«, fährt meine Schwiegermutter fort. »Es käme mir sogar lächerlich vor, das extra zu sagen.

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