Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
meine Rückkehr. Sobald ich den dämlichen Prozess hinter mir habe, schließen wir uns zu Hause ein und lieben uns drei Tage hintereinander ohne Pause (hab ich dir übrigens schon gesagt, dass du immer noch besser wirst?).
Jetzt nur mal so als Beispiel.
Aber was soll ich sagen? Die Nachricht bleibt unverändert, völlig unempfänglich für jede Anregung und/oder Utopie von meiner Seite, genauso wie bei Massimo Troisi, wenn der versuchte, mit der Kraft seiner Gedanken irgendwelche Gegenstände zu verrücken.
Ich hole tief Luft.
Was hat Mutlosigkeit doch für einen typischen Geschmack!
Ich setze mich wieder in Bewegung, das Handy immer noch in der Hand, während alles ringsum wie hinter einer Wattewand verschwindet. Ich denke nicht mal mehr, bewege nur die Beine, setze einen Schritt vor den andern.
Ich komme mir vor wie Alan Ford in einem der alten Comics, wo er mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht die Trottoirs von New York entlangtrottet, nachdem ihm seine Brenda per Brief den Laufpass gegeben hat (über zwei oder drei Seiten weg folgen die Panels des großartigen Magnus aufeinander, im Vordergrund, immer unverändert, die Zeichnung von Alan, aber auf jedem Bild ein anderer Hintergrund, so dass man förmlich sieht, wie gnadenlos das Leben weitergeht und sich einen Dreck um die Verzweiflung des Protagonisten schert), bis der plötzlich stehen bleibt und mitten in der Menge zu schluchzen anfängt.
In diesem Zustand blödsinniger Selbstbemitleidung gehe ich, ich weiß nicht wie lange, immer weiter vor mich hin, bis ich merke, dass ich schon lange an Ass’ Haustür vorbei bin.
Wenn ich was auf den Tod nicht ausstehen kann, dann, wenn mein Verstand aussetzt, deshalb beschließe ich, dass jetzt der Moment gekommen ist, etwas dagegen zu unternehmen. Ich nehme das Handy, gehe auf den Menüpunkt ANTWORT , konzentriere mich und kalkuliere die exakte Dosis Gereiztheit, die in die SMS einfließen soll, und tippe dann mit einem boshaft selbstzufriedenen Lächeln (obwohl sich mein Daumen anfühlt, als hätte er Parkinson) den Text ein:
Glückwunsch zur Wahl der Fluggesellschaft.
Ich brauche ein bisschen, bis ich auf SENDEN drücke, aber am Ende mach ich’s wirklich.
Während des Versendens schließe ich die Augen und spüre ein mit einem Anflug von Übelkeit verbundenes, alles in allem aber nicht unangenehmes Gefühl der Erleichterung.
Als ich die Augen wieder öffne und mir das Display die erfolgte Sendung bestätigt, schiebe ich mir das Handy wie eine noch rauchende Smith & Wesson in die Tasche zurück und schaue mich im Hochgefühl neuer Möglichkeiten um.
Auf dem Weg zurück zur Haustür von Ass überhäufe ich mich mit Komplimenten.
Als mir beim Klingeln an der Sprechanlage die Antwort- SMS aus der Jackentasche entgegenvibriert, sieht aber schon wieder alles anders aus.
Mir wird hundeelend.
Meine Beine zittern – aber, um Coolness bemüht, taste ich nach dem Handy.
Natürlich meldet sich genau jetzt, im Moment größter seelischer Not, Miorita (die Pflegekraft von Ass) mit einem übellaunigen ›Hallo!‹ an der Gegensprechanlage (was sich in etwa so anhört wie: ›Hey, warum belästigt ihr eigentlich immer uns? Es stehen doch genug andere Namen da?‹).
»Ich bin’s«, antworte ich.
Sie überlegt kurz. (Mir ist immer noch nicht klar, ob sie das absichtlich macht.)
»Ah, Vinschinzo«, sagt sie.
»Ja, Vinschinzo«, bestätige ich (in einem Tonfall, der eigentlich sagen will: ›Machst du bald auf oder sollen wir noch ein Weilchen weiterplaudern?‹)
Mit einem knatternden Geräusch geht der Türöffner.
Beim Aufdrücken der Haustür werfe ich einen zerstreuten Blick auf die Antwort von Alessandra Persiano.
Vielleicht hätte ich mich ja gefreut, wenn du mich angerufen und gefragt hättest, ob ich gut angekommen bin. Glaubst du, deine spitzen Bemerkungen machen die Sache einfacher? Schönen Tag noch.
›Mist‹, denke ich. Und verfluche den Augenblick, in dem ich meiner Wut freien Lauf gelassen und ihr diese gereizte SMS geschickt habe, die ich jetzt am liebsten wieder zurücknähme.
Wie fundiert mir jetzt ihre Gründe vorkommen und wie kindisch die meinen! Den Daumen sollte ich mir abschneiden, den verfluchten!
Andererseits, versuche ich mich zu beruhigen, ist meine Position auch nachvollziehbar – immerhin konnte ich mich beim Formulieren der Antwort nur auf Unterlassungen und Unausgesprochenes stützen.
Aber trotzdem: Eine bewusst unpersönlich gehaltene Antwort (so was wie: ›Schön.
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