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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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plötzlich ihre Sitzposition wechselt, merke ich, dass es gleich um etwas wesentlich Ernsteres gehen wird als um meine Fernsehauftritte zum Zweck der Rückeroberung einer Frau.
    Einen Moment später, als Betty (schön wie Grace Kelly) auf der Mattscheibe ihren Mann anpflaumt: ›Unsere Kinder großzuziehen ist nicht deine Aufgabe!‹, legt sie mir tatsächlich eine Hand auf die Schulter:
    »Jetzt muss ich dir was sagen.«
    Sofort greife ich zur Fernbedienung, stelle den Ton leiser, lege die Fernbedienung neben mir ab, beuge mich vor, stütze die Ellbogen auf die Knie und falte meine Hände ineinander.
    Assunta verfolgt das Ganze beinahe amüsiert.
    »Am Mittwoch kriege ich die erste Chemo.«
    Ich warte kurz ab, dann begreife ich, dass es höchste Zeit ist, endlich zum Punkt zu kommen.
    »Hör mal, Ass«, setze ich unsicher an, »bisher habe ich noch nicht mit dir darüber gesprochen, aber ich glaube, du solltest Nives endlich erlauben …«
    Meine Ex-Schwiegermutter schüttelt heftig den Kopf, um zu verhindern, dass ich ausrede, und wirft mir wieder diesen scheelen Blick zu, den man für die Chancenlosen reserviert, wenn man ihnen das Vermögen abspricht, noch irgendwelche sachdienlichen Argumente vorbringen zu können.
    Mit dem Satz, den sie mir dann gleich im Anschluss an den scheelen Blick unterjubelt, stellt sie mich dann als absoluten Vollidioten hin.
    »Das war ja klar, dass du dich schon wieder hast instrumentalisieren lassen, statt zur Abwechslung mal selber zu denken.«
    Ich spüre Hitze in mir aufsteigen.
    » Instrumentalisieren?« , wiederhole ich mit gespielter Entrüstung.
    »Uuuh, jetzt mach nicht so ein Gesicht. Ich benehme mich meiner Tochter gegenüber nicht erst seit gestern schlecht – ich telefoniere seit Wochen nicht mit ihr und sehe meine Enkel nur noch ab und an. Ist doch klar, dass sie dich vorgeschickt haben, als gehorsamen Erfüllungsgehilfen. Damit du vorfühlst, das Terrain erkundest, die Lage sondierst. So einfach ist das. Hältst du mich für total bescheuert, dass ich das nicht merke?« Sie lächelt kurz. »Andererseits: Wahrscheinlich hätte ich an ihrer Stelle dasselbe gemacht.«
    ›Als gehorsamen Erfüllungsgehilfen?‹ , wiederhole ich im Stillen mindestens fünf Mal nacheinander (und weiß eines mit Sicherheit: Wenn mir die Demütigung, die ich gerade erfahren habe, jetzt eine Couperose ins Gesicht treibt, gebe ich ein lächerliches Bild ab).
    Nur meine Zuneigung für Ass hält mich davon ab, sie lauthals dorthin zu schicken, wo der Pfeffer wächst (und ihre saubere Tochter gleich mit, versteht sich).
    Ich sage keinen Ton, sondern beschränke mich darauf, der deutlich spürbaren Gefäßerweiterung im Unterhautgewebe von Nase und Wangen, die mir gehörig einheizt, gegenzusteuern.
    »Bist du jetzt beleidigt, weil ich dich einen Erfüllungsgehilfen genannt habe?«, fragt Assunta, nachdem ich tatsächlich keine Reaktion zeige.
    »I wo, weshalb sollte ich?«
    »Richtig, weshalb solltest du? Es ist ja schließlich wahr.«
    »Du hast recht, es ist wahr«, empöre ich mich. »Dann erkläre ich die ganze Vorfühlerei hier offiziell für beendet.«
    Ich stehe auf, aber nur, weil ich nicht mehr sitzen kann.
    »Gehst du schon?«, fragt sie mich feindselig.
    Ich schaue mich nervös um (als würde ich nach etwas suchen oder gerade eine klaustrophobische Attacke erleiden, was weiß ich). Nein, ich habe nicht die geringste Lust zu gehen. Ich würde wahrscheinlich sogar versuchen zu bleiben, wenn sie mich zum Gehen aufforderte.
    Weil ich aber nicht antworte, redet sie weiter: »Bist du also nur gekommen, um für eine Annäherung zwischen mir und Nives zu sorgen? Und jetzt, wo du feststellst, dass du die Aufgabe nicht erfüllen kannst, gehst du wieder?«
    Ich pumpe mir die Lungen voll Luft, dann lasse ich die Schultern fallen und stoße zugleich einen abgrundtiefen Seufzer aus.
    »Heiliger Strohsack, Ass!«, rufe ich aus, angewidert von mir selber und diesem plötzlichen Streit.
    Sie weicht zurück und klappert zweimal mit den Augendeckeln (wahrscheinlich wird ihr gerade klar, dass sie sich mit dem Falschen angelegt hat).
    »Entschuldige bitte«, sagt sie und wendet den Blick von mir ab.
    Schmerzverzerrte Grimassen von jemandem, den ich liebe, ertrage ich einfach nicht.
    Sie treiben mich zur Verzweiflung wie nichts sonst auf der Welt.
    Und ich würde alles dafür tun, um sie auszuradieren.
    Wenn sich ein Mund vor Schmerz verzieht, ein Blick sich im Nichts verliert, ein Schmerz Gestalt annimmt und

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