Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Stimme : monströse Kehllaute, Flüche, unerträglich anzuhören und durchsetzt mit Spucken und Grunzen, Pech und Unheil beschwörend. Man hätte den Exorzisten rufen wollen, echt. Und als sie schließlich die Biege machte (selbstverständlich ohne ihre Versicherungsdaten zu hinterlassen), besaß sie sogar noch die Dreistigkeit, ihren Kopf aus dem Autofenster zu strecken und einfach weiterzuzetern, diese Giftschleuder. Und zwar mit solcher Verve, dass die Polizisten und der junge Mann nach diesem Auftritt gut zehn Minuten brauchten, um sich gegenseitig wieder aufzurichten.
»Gut, danke, Herr Rechtsanwalt Malinconico«, sagt Ingenieur Romolo Sesti Orfeo mit hochgezogenen Augenbrauen wie nach einer Zugabe und lässt meinen Nachnamen zwischen Gemüse und Mozzarella widerhallen (um so einen Stereoeffekt zu erreichen, muss er den ganzen Supermarkt akribisch mit Mikrofonen ausgestattet haben).
»Danke schön fürn Arsch, Herr Ingenieur«, erwidere ich (noch im Hochgefühl meines vorigen Beitrags).
»Wie bitte?«, antwortet er und tut so, als hielte er mich für einen Spaßvogel.
»Sie haben ganz richtig gehört«, bestätige ich und zerstreue bei ihm etwaig vorhandene Zweifel.
Außerdem lege ich aus dem so unwillkürlichen wie unverständlichen Bedürfnis heraus, dem Ölgötzen meine Solidarität auszudrücken, eine Hand auf dessen Schulter (der macht tatsächlich: ›Mh!‹ und deutet sogar eine gewisse Zustimmung an).
Dann werde ich grundsätzlich. »Ich biete Ihnen keinerlei Zusammenarbeit an«, teile ich Romolo Sesti Orfeo mit. »Ich versuche lediglich, den Schaden zu begrenzen. Unterlassen Sie es deshalb gefälligst, mir zu danken. Ich billige Ihre Handlungsweise nicht.«
»Ah, so ist das«, sagt er.
»Ja, so ist das«, sage ich.
Eine Weile scheint es nichts mehr zu sagen zu geben (das kommt vor, wenn du feststellst, dass die Position des anderen exakt gleich viel wert ist wie deine. Fühlt sich ein bisschen so an, als stünde man sich gegenseitig im Weg).
Ich meine, von Seiten meiner Fans im Eingangsbereich eine Art Beistand zu spüren. Aber vielleicht ist das auch nur meine Einbildung.
»Also, mir ist es scheißegal, wie sie hierzu stehen«, bescheidet der Ingenieur knapp. »Ich brauche von niemandem eine Billigung.«
Für so ungehobelt hatte ich ihn gar nicht gehalten, und ein bisschen kränkt mich das sogar.
»Okay«, sage ich und werde rot (weil wir immer ein wenig rot werden, wenn uns jemand abkanzelt), »wenn Sie es schon auf diese Ebene schieben, macht es Ihnen ja wohl nichts aus, wenn ich jetzt gehe?«
Der Ingenieur sah mich genervt an. »Also Sie wollen das offenbar nicht kapieren. Das hier ist ein Prozess, da braucht es einen Rechtsanwalt.«
»Hey, wissen Sie was?«, ereifere ich mich. »Diese Geschichte wird eine …«
›Farce‹, würde ich gern sagen; aber ich kann es nicht, weil wir vom großen Durcheinander abgelenkt werden, das sich plötzlich im Eingangsbereich abspielt, wo soeben die Räumung durch die Carabinieri angefangen hat.
Alle richten wir jetzt den Blick auf die Monitore, zumal wir uns inzwischen alle an die Vorstellung gewöhnt haben, dass sich dort die Außenwelt befindet.
Normalerweise ist die Sprache, die die Ordnungskräfte in solchen Fällen anwenden, noch modularer als BILLY -Regale, da sie im Wesentlichen aus Infinitiven und Befehlsformen besteht (›Weitergehen, los‹; ›Aus dem Weg, wird’s bald‹) und damit – egal, wie man die einzelnen Wörter stellt – semantisch immer gleich.
Variationen zum Thema finden sich vor allem am Anfang und gegen Ende der Szenerie. Sämtlichen Varianten ist gemeinsam, dass sie immer in Rhetorik ausarten (z . B.: ›Lasst uns unsere Arbeit machen‹, was oft ausgesprochen wird, wenn die Polizisten eben erst angekommen sind und also noch gar keine Zeit hatten, mit der Arbeit zu beginnen), oder aber, noch schlimmer, das berühmte ›Hier gibt’s nichts zu sehen‹: absolut gesehen die Variation, die die Leute am stärksten an Ort und Stelle fesselt.
So ist das normalerweise.
Dachte ich.
Die Zeiten müssen sich mittlerweile aber geändert haben, weil es diesmal anders zu laufen scheint.
Zunächst mal sind die Carabinieri, die sich um die üble Geschichte hier kümmern sollen, zu zweit (okay, das ist noch nichts Neues). Aber es handelt sich bei den Ordnungskräften erstens um einen Mann und eine Frau, woran man sich erst mal gewöhnen muss (siehe das ewige Thema Frauenfeindlichkeit, dem sich niemand entziehen
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