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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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kann).
    Außerdem sind beide jung und auch noch ziemlich athletisch – was sofort nach Actionfilm aussieht – und vor allem weil sie rothaarig ist, denke ich sofort an Fox Mulder und Dana Scully, die FBI -Agenten von X-Files , die allem Herzklopfen zum Trotz nach neun Staffeln Außerirdischenjagd noch immer nicht zu Potte gekommen sind (wobei die Serie genau dieser Auslassung ein Gutteil ihres Erfolges verdankt).
    Drittens ist sie diejenige, die die Leute in Schach hält, und das auch noch ohne Plattitüden und rhetorische Gemeinplätze. Das Einzige, was sie sagt und wiederholt, ist: ›Bitte‹, mit der Technik eines Aufnahmeleiters am Drehort eines Films, der die Arme als bewegliche Absperrgitter einsetzt, um den imaginären Umfang des Bereichs anzugeben, den keiner betreten darf.
    Viertens trägt er keinen Kinnbart. Seine Statur ist so, dass man bei der Vorstellung fast zwangsläufig fragt: ›Spielst du Basketball?‹ (weil Basketball in der landläufigen Vorstellung so was wie die Freimaurerei der hochgewachsenen Menschen ist), und dazu legt er bei der Einschätzung der Lage eine bewundernswerte Ruhe an den Tag. Obwohl er die Gesamtsituation auf dem Bildschirm (von dem er den Blick nicht abwendet) erfasst hat, hört er sich aufmerksam an, was ihm der zuvor von Ingenieur Romolo Sesti Orfeo instruierte Verkäufer Giovanni zu sagen hat.
    Der Deus ex Machina kommt sich offenbar etwas vernachlässigt vor, plötzlich drängt er sich nämlich in den Vordergrund und nimmt mit seinem Gesicht die gesamte Monitorfläche in Beschlag.
    »Guten Tag«, grüßt der Ingenieur und bringt sämtliche Anwesenden im Eingangsbereich mühelos zum Schweigen.
    Mulder schaut sich die Großaufnahme in aller Seelenruhe an (bestimmt macht er Yoga, schießt es mir durch den Kopf, sonst würde er es wohl nicht schaffen, dermaßen phlegmatisch auf die äußeren Ereignisse zu reagieren).
    Auch Scully dreht sich jetzt um.
    »Guten Tag«, antwortet der Carabiniere ruhig, »ich kann Sie sehen. Auch hören. Vermutlich ist es für Sie dasselbe.«
    »Genau. Wir haben alle beide ein Mikro, Capitano Apicella.«
    Mulder fragt mit hochgezogenen Augenbrauen: »Kennen wir uns?«
    Ingenieur Romolo Sesti Orfeo tritt einen Schritt zurück, damit man ihn besser sehen kann.
    »Sie sollten sich eigentlich an mich erinnern können«, antwortet er, »auch wenn es mittlerweile schon ein Weilchen her ist.«
    Der Carabiniere kneift die Augen zusammen, fährt das ovale Gesicht des Ingenieurs in Großaufnahme ab, macht den Rücken steif und dreht sich zu seiner Kollegin. Als er das Gespräch mit dem Bildschirm wieder aufnimmt, ist sein Ton verändert.
    »Und ob ich mich erinnere«, sagt er jetzt.
    Der Ingenieur beißt sich auf die Lippe, als ob diese Bestätigung einen tiefen Schmerz in ihm ausgelöst hätte.
    »Sie sind als Erster dazugekommen«, sagt Romolo Sesti Orfeo leise.
    »Ja, richtig.«
    Darauf folgt ein Moment stiller Sammlung, in dem beide offenbar wie durch den Austausch von Fotogrammen die Erinnerung Revue passieren lassen.
    »Wie geht es Ihnen, Herr Ingenieur?«, bricht Capitano Mulder-Apicella schließlich das Schweigen.
    Diese konventionellste aller Fragen erscheint mir in dieser Situation so unpassend, dass sie mich total aus dem Konzept bringt. Dafür ist sie jedoch mit solch aufrichtigem Interesse formuliert, dass sich mir die Frage aufdrängt, ob ich sie eigentlich jemals so gestellt habe.
    »Das sehen Sie doch, oder?«, antwortet der Ingenieur und breitet die Arme aus, um auf die Szene der Geiselnahme hinzuweisen (ein wenig so wie die Artisten im Zirkus, die am Ende ihrer Nummer in die Richtung ihrer Mitartisten gestikulieren, um nicht den ganzen Applaus für sich zu beanspruchen), als ob der offensichtliche Tatbestand ein getreues Abbild seiner Verzweiflung wäre.
    »Ich wusste nicht, dass Sie hier arbeiten«, bemerkt Mulder.
    Matteo und ich schauen uns verwirrt an (er zuckt sogar mit den Achseln und zieht die Mundwinkel nach unten: die übliche Fragezeichenposition), da wir uns nicht wenig über den leichten Plauderton der beiden wundern.
    »Die Stelle habe ich mir absichtlich besorgt.«
    »Dachte ich mir. Als Ingenieur?«
    »Ja, Capitano.«
    »Ich müsste bitte wissen, ob es Verletzte gibt.«
    ›Na endlich‹, denke ich, ›endlich mal ein Thema, das uns alle angeht.‹
    Matteo denkt offenbar dasselbe, denn wie ich sehe, entspannen sich seine Schultern: Mulder hatte also nur etwas weit ausgeholt.
    »Nur der da«, antwortet Ingenieur Romolo

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