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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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verdient.
    Matteo steht immer noch mit halb offenem Mund da. Auf einmal finde ich sein Phlegma unerträglich.
    »Hey«, sage ich zu ihm, »was ist los? Ist dir die Fruchtblase geplatzt, oder was?«
    Sein Blick verrät, dass der Scherz nicht bei ihm angekommen ist.
    »Wenn ich mich nicht irre, hab ich dir aus der Klemme geholfen«, fahre ich fort. »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Du kannst es jetzt auch mal wieder gut sein lassen mit dem Panik-Schieben.«
    Langsam dämmert Matteo dem Wurstverkäufer, dass ich recht habe. Er weicht zwei Schritte zurück.
    Ich wende mich wieder an den Ingenieur:
    »Und, zufrieden?«, frage ich provozierend und lasse keinen Zweifel daran, dass ich keine Antwort will.
    Nach einem kurzen, aber aufschlussreichen Schweigen ist vom Eingang her Applaus zu hören.
    Ich werde zur Statue.
    Matrix, Ingenieur Romolo Sesti Orfeo und der Ölgötze bemerken es sofort und sehen mich plötzlich mit ganz neuen Augen.
    Meiner Selbstachtung wachsen Flügel, was mir einen köstlichen Schwindel beschert.
    Ich komme mir vor wie ein Tiger.
    Ich bin eine Entdeckung.
    Ein Rockstar.
    Ich bin Bruce Willis im ersten Die Hard.
    Ich bin der Mann der Stunde.
    Ich hab die Situation im Griff.
    Ich liebe mich.
    Ingenieur Romolo Sesti Orfeo wirkt etwas geknickt und enttäuscht.
    (Die Enttäuschung ist das lehrreichste Gefühl. Schau einem enttäuschten Menschen ins Gesicht, und in neun von zehn Fällen wirst du den präzisen Grund darin lesen können. Die Ursachen von Neid, Eifersucht und Rivalität lassen sich verbergen. Auch die von Wut. Aber die Untertitel der Enttäuschung lassen sich nicht einfach wegdrücken wie ein Videotext.)
    Endlich ist die Sirene der Carabinieri zu hören.
    Obwohl es sich um einen vorhergesehenen (genau genommen ja sogar erwarteten) Einsatz handelt, stoße ich einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Ankunft der Ordnungskräfte, auch wenn sie die Probleme nicht wirklich löst, bewirkt, dass man sich selbst unverzüglich entlastet fühlt. Ja, mehr noch: Man fühlt sich stark und so sicher, dass man sich sogar traut, ausfällig zu werden, sobald die Polizei erscheint.
    Vor einiger Zeit wurde ich vom Fenster der Wohnung eines Freundes aus zum Zeugen eines Auffahrunfalls. Unfallverursacherin war eine Dame (eine ziemlich vornehme sogar); Unfallopfer ein Typ um die zwanzig, höchstens fünfundzwanzig (sah auf den ersten Blick aus wie ein wohlerzogener junger Mann).
    Sie stiegen ab bzw. aus (er von einer Vespa, sie aus einem Smart). Der junge Mann verzog keine Miene, machte ihr mit keinem Wort einen Vorwurf, fragte sie nur nach ihren Versicherungsdaten und basta.
    Sie eierte ein wenig herum, versuchte den Schaden zum Kratzer kleinzureden; er sagte, sein Mechaniker habe sich mit derlei Kratzern schon manche Immobilie erworben, kurzum: Sie fingen an sich zu kabbeln, hielten sich dabei aber an das gewerkschaftliche Minimum an Dialektik in der freundschaftlichen Auseinandersetzung. Schließlich gab die Dame klein bei, setzte sich wieder ins Auto und griff nach den Papieren, um sie dem jungen Mann auszuhändigen.
    Just in diesem Moment kamen zwei Verkehrspolizisten vorbeispaziert, überblickten die Lage und mischten sich dienstfertig ein – ahnungslos, dass sie so etwas wie der Vollmond waren, der Sekunden später den Werwolf zum Vorschein bringen sollte.
    Die Dame riss dem jungen Mann daraufhin nämlich mit beeindruckender Geschicklichkeit die Papiere aus der Hand und überschüttete ihn völlig unerwartet mit einem ganzen Schwall persönlich beleidigender und aus der Luft gegriffener Schweinereien (was sie als langjährige Stammkundin zwielichtiger Kaschemmen outete).
    Bass erstaunt schauten sich die beiden Verkehrspolizisten an und versuchten die – na ja, nicht ganz lupenreine – Dame wieder zur Vernunft zu bringen. Die kreischte jedoch sofort los, man solle sie bloß nicht anrühren (nichts schien den beiden armen Staatsdienern allerdings ferner zu liegen, meinte ich in ihren Gesichtern lesen zu können), und stürzte sich mit solch rasender Wut auf den jungen Mann, dass einer der beiden Ordnungshüter unwillkürlich die Hand ans Pistolenhalfter legte.
    Was mich und meinen Freund so fassungslos machte (oder vielmehr nur mich, da der Dödel von Freund sich lachend auf dem Boden wälzte und irgendwann sogar nach nebenan gehen musste, um nicht zu ersticken), das waren nicht so sehr die unflätigen Beschimpfungen aus ihrem Munde (samt und sonders Variationen genitaler Benennungen), als vielmehr ihre

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