Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
Vom Netzwerk:
fragte mein Filius verblüfft.
    »Ey, Alfre’. Bitte, ja?«
    »So, und wo wir gerade dabei sind, Vincenzo«, mischte sich jetzt Alagia ein, während Alf mich besorgt anstarrte, »erklär mir gefälligst, warum du mich einfach wie eine blöde Tussi auf der anderen Straßenseite stehen lässt.«
    Ich blähte die Nasenlöcher, um wie ein Spürhund Witterung aufzunehmen, atmete geräuschvoll aus (wobei mir durch den Überschuss an Sauerstoff kurzfristig schwindlig wurde) und flüchtete mich schließlich mit halb geschlossenen Augen in einen (zugegebenermaßen ziemlich peinlichen) Paternalismus.
    »Wenn es eine Gewohnheit gibt, vor der du dich echt in Acht nehmen musst«, dozierte ich (hatte aber nicht den Schneid, meiner Tochter dabei in die Augen zu sehen), »dann davor, mitten im Gehen plötzlich stehen zu bleiben, aber weiterzureden, während die andern weitergehen.«
    Schweigen.
    Ich fiel in Trance wie bei einem Eigentor.
    Um meiner schwachsinnigen Behauptung wenigstens ein klein wenig Sinn zu geben, versuchte ich mich – frei nach dem Motto: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? – an einem semantischen Rückrudermanöver (und den klassischen Matrioschka-Sätzen – ihr wisst schon: Schwurbeleien à la ›Aldo ist der Mann der Schwester der Frau von Luigi‹, bei denen du die Laufrichtung wechseln musst, damit du sie kapierst, nämlich: ›Luigi hat eine Frau; die Schwester seiner Frau, also seine Schwägerin‹ – und allein schon der Begriff ›Schwägerin‹ bringt ein bisschen Licht ins Dunkel, – ›ist mit Aldo verheiratet‹. An diesem Punkt bettest du Aldo in den Kontext seiner Herkunftsfamilie ein und siehst ihn fast schon vor dir); aber nicht mal diese Prozedur hat weitergeholfen.
    Das Ende vom Lied war die Erkenntnis: Ich hatte mich einfach schlampig ausgedrückt, Punkt.
    Während meine Kinder losprusteten und mich offen auslachten, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass man erst, wenn man bei einem ansatzweise schwierigen gedanklichen Zusammenhang ins Improvisieren gerät, merkt, wie leicht man doch seine eigenen Ausdrucksfähigkeiten überschätzt:
    Es reicht eben nicht aus, etwas ganz genau zu wissen – solange man dieses Wissen nicht verbalisieren kann, weiß man offiziell überhaupt nichts. Man müsste erst mal proben, bevor man den Mund aufmacht, ganz im Ernst. (Wenn ihr übrigens glaubt, dass die superhellen Talkshow-Gäste im Fernsehen mit ihren tadellosen Metaphern und den hieb- und stichfesten Sätzen frei sprechen, dann irrt ihr euch ganz gewaltig. Solche Leute schreiben sich alles, was sie später sagen wollen, vorher auf. Damit degradieren sie sich jedoch zu Schauspielern, die ein Drehbuch herunterleiern.)
    Kurzum: Die Worte wollen gewählt sein, und wie.
    »Ihr könnt mich beide mal«, sagte ich zu meinen beiden unverschämten Sprösslingen. »Und du: schnäuz dir gefälligst die Nase, verdammt«, raunzte ich Alf an, der mir beim Lachen beinahe einen Popel auf die Jacke gerotzt hätte.
    Dann drehte ich mich um und schritt beleidigt von dannen.
    »Komm schon, Papa, los, komm!«, rief Alfredo mir nach, so dass ich mir vorkam wie damals, als er sieben war.
    Seine bekloppte Schwester kriegte sich immer noch nicht ein.
    ›Erstick doch‹, wünschte ich ihr im Stillen.
    Kaum zwanzig Meter weiter schlossen meine Kinder auf und kreisten mich ein wie zwei Möchtegernschläger, die Ärger suchen.
    »Und?«, sagte ich.
    Ich konnte mir das Lachen nicht verbeißen.
    In diesem Moment konnten wir uns richtig gut leiden. Klingt seltsam, ist aber wahr.
    »Wie hast du nochmal gesagt?«, brach Alagia schließlich das Schweigen mit dem Zartgefühl eines Nilpferds. »Du verfällst in die Gewohnheit, im Gehen stehen zu bleiben, während die anderen reden und im Stehen gehen ?«
    »Hat dir eigentlich noch nie jemand gesagt, was für ein mieses Stück du bist?«, antwortete ich und wurde rot.
    Sie und ihr Bruder schauten einander an und prusteten wieder los. So laut, dass ich nicht anders konnte und mitlachte.
    Während wir uns dem Wohnhaus von Ass näherten, hakte ich mich bei Alagia unter und wies sie dezent darauf hin, dass sie in der achten Klasse im Aufsatz ›ins‹ und ›ans‹ jeweils noch mit Apostroph geschrieben hatte.
    Woraufhin sie mir einen Schmatz auf die rechte Wange gab und mir sagte, was ich doch für ein Blödmann sei.
    Meine Schwiegermutter amüsierte sich übrigens königlich, als sie mein Geschenk auspackte (genau, wie ich mir das vorgestellt hatte).
    Das war mir eine

Weitere Kostenlose Bücher