Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
darüber, dass ich so frühzeitig wieder um meine Identität als mutmaßlicher Terrorist gebracht werden soll.
Gerade will ich noch etwas hinzufügen (so was wie: ›Mein Gott, Mary, kann man sich jetzt nicht mal mehr auf die Schoten verlassen, die du loslässt?‹), als völlig unerwartet Ingenieur Romolo Sesti Orfeo das Wort ergreift. Mit ganz und gar ruhiger Stimme, die dem ganzen Enthusiasmus rundum schlagartig den Wind aus den Segeln nimmt.
»Sie sind eine Idiotin«, sagt er in die Kamera und zweifelsfrei zu Mary Stracqua.
Die zieht so schlagartig den Kopf ein, dass sie praktisch keinen Hals mehr hat.
»Jetzt aber«, sage ich, zu Ingenieur Romolo Sesti Orfeo gewandt. (Was soviel heißt wie: ›Das hat aber ganz schön gedauert.‹)
Gespannt auf die Fortsetzung, die tatsächlich gleich folgt, verlagern wir alle unsere Aufmerksamkeit auf den Chef.
»Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie ein Mikrofon in der Hand halten? Dass Sie im Fernsehen sprechen? Dass die Zuschauer die falsche und vor allem unbegründete Nachricht, die Sie soeben verbreitet haben, ernst nehmen?«
›Junge Junge‹, denke ich. ›Sind wir jetzt beim Jüngsten Gericht gelandet?‹
»Bisher habe ich Sie ja einfach nur für eine Stümperin gehalten«, fährt der Ingenieur fort. »In gewisser Hinsicht fand ich Ihre Imitation des Italienischen sogar amüsant. Dabei sind Sie eine richtige Schlunze, eine fahrlässige Ignorantin. Man fragt sich, wie Sie überhaupt an ihr Diplom gekommen sind.«
»Genau, du kannst endlich einpacken und abdanken!«, schreit eine solidarische Hyäne.
»Verpiss dich!«, fügt eine weitere hinzu, wobei nicht ganz klar ist, wen sie auf dem Kieker hat.
Mulder und Scully stürzen mit ausgebreiteten Armen auf die Menge zu, um einen Aufruhr zu verhüten.
Mary Stracqua erwacht mühsam aus ihrer Fassungslosigkeit und probiert jetzt mal die beleidigte Leberwurst aus.
»Hören Sie, ich lasse mir doch von Ihnen nicht …«
»Halt gefälligst den Rand«, fährt ihr Ingenieur Romolo Sesti Orfeo gleich mit einem fliegenden und souveränen Wechsel zum ›Du‹ über den Mund, findet im nächsten Moment aber zurück zu seinen Manieren (wenigstens zeitweise): »Sie haben doch noch nicht mal kapiert, was hier drin vorgeht«, sein Blick wechselt ins Verächtliche und die Diktion verfällt wieder ins Rowdiehafte, »und jetzt spielen Sie auch noch die Beleidigte: lern erst mal dein Geschäft, du dumme Gans.«
»Wow!«, brüllt eine Hyäne.
»Waaahnsinn!«, eine andere.
Dann legen die Hooligans los und klatschen Beifall (ein paar stampfen sogar noch mit den Füßen dazu). Dazu lachen und grölen sie Schimpfwörter ohne Subjekt und Prädikat.
Scully und Mulder wissen nicht genau, ob sie peinlich berührt oder nicht doch eher amüsiert sein sollen.
Matteo der Wurstwarenverkäufer trägt eine Bilderbuchmiene von Genugtuung zur Schau (bei der Gelegenheit stelle ich fest, dass man auch im Zustand vollkommener Zufriedenheit rot werden kann).
Was mich betrifft, muss ich schwer an mich halten, um nicht irgendwelche Freudensprünge zu vollführen.
»Capitano«, ruft Ingenieur Romolo Sesti Orfeo in einem Ton, der die Situation ganz offensichtlich wieder mit derselben Dramatik aufladen soll wie vor dem Eintreffen der Stümperin.
Tatsächlich hören die naturgemäß nach Aas lechzenden Hyänen auch schlagartig mit ihrem Halligalli auf.
»Was bitte?«, antwortet der Gefragte.
»Nehmen Sie ihr bitte das Mikrofon weg.«
Mary schaut Mulder scharf an, als wolle sie sagen: ›Du wirst ihm doch nicht etwa gehorchen?‹
»Haben Sie gehört, was ich gerade gesagt habe?«, fragt Ingenieur Romolo Sesti Orfeo, da Mulder nach wie vor per Blickkontakt Kriegsrat mit Scully hält.
»Unterstehen Sie sich«, versucht Mary Stracqua ihn aus dem Off einzuschüchtern.
»Capitano«, hakt Ingenieur Romolo Sesti Orfeo nach. Ruhig, ohne aus der Fassung zu geraten. »Diese Vollidiotin hat schon genug Schaden angerichtet. Also, was ist?« Er entsichert die Pistole, zielt auf Matrix und macht nochmal seinen Standpunkt klar: »Nehmen Sie ihr das Mikrofon weg. Sofort. Und ich sag das nicht nochmal.«
Wir sind alle wie versteinert.
Anscheinend sammeln sich auch die Hyänen.
Matrix fletscht die Zähne.
Und dann passiert es tatsächlich: Mulder macht einen Schritt auf Mary Stracqua zu und streckt die Hand aus.
Sie schaut ihm in die Augen, zögert, dann streckt sie ihm die Handgurke – wie die Techniker dazu sagen – in einer langsamen, immer wieder
Weitere Kostenlose Bücher