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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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angehaltenen Bewegung entgegen, etwa so, wie Clint Eastwood die Pistole weglegt, wenn der Geiselnehmer vor seiner Nase ihm damit droht, andernfalls die Geisel (im Allgemeinen eine Frau, vorzugsweise blond) zu töten.
    Nicht auszuhalten, diese Zeitlupe – ich kann mir das einfach nicht mitansehen.
    »Jetzt gib ihm schon das Scheißmikro!«, herrsche ich die Stracqua genervt an. Und erwische sie so unvermittelt, dass die Ärmste ganz aus dem Takt kommt und ungeschickt auf ihrem Platz hochspringt, was eine Hyäne zum Aufheulen veranlasst. Die Handgurke rutscht ihr aus der Hand (bevor sie jedoch beim Aufprall auf den Boden zerschellt, duckt Mulder sich und fängt sie in der Luft ab).
    Es hagelt Lachsalven.
    Mary wendet sich empört zur Hyänenkurve, die sich inzwischen nicht mal mehr mit Geld davon abbringen ließe, sie zu verarschen, und handelt sich lediglich ein ›Was guckst du so blöd?‹ ein.
    Mulder richtet sich wieder auf, knallrot von dem unvorhergesehenen Auffangmanöver und wütend auf Mary Stracqua, die ihn indirekt in diese blöde Nummer reingezogen hat (typisch mal wieder, dass man blöd dasteht, auch wenn man nur zufällig in der Nähe ist und gar nichts für die blöde Nummer kann, sie vielleicht sogar mit aller Macht zu verhindern versucht hat).
    Die Knalltüte fest im Blick, zählt Mulder auf zehn (offenbar um den Mordimpuls in Schach zu halten, der ihn zu überwältigen droht), ehe er mit der Natürlichkeit eines Chirurgen im OP die Handgurke an seine Kollegin weiterreicht.
    Scully nimmt sie perplex entgegen, nach dem Motto: ›Was soll ich mit dem Ding?‹ und reicht das Mikro dem Kameramann weiter, der es mit einer Hand packt, ausschaltet und in die hintere Tasche seiner Jeans steckt, während er mit der anderen Hand die Kamera zwischen Schulter und Hals in Position bringt.
    »Nehmen Sie jetzt bitte die Pistole runter, Herr Ingenieur«, sagt Mulder in Richtung Monitor.
    » Ingenieur? «, wiederholt Mary Stracqua und fällt aus allen Wolken.
    Ingenieur Romolo Sesti Orfeo lässt die Sicherung einrasten und schiebt die Pistole wieder ins Holster.
    »Und jetzt?«, fragt Mulder.
    »Nichts jetzt, Capitano. Ich brauche keine Moderatoren, und schon gar keine unfähigen. Mir reicht’s, wenn der Kameramann seine Kamera auf die Monitore richtet und alles abfilmt, was passiert«, fährt der Ingenieur Mulder über den Mund.
    Mary Stracqua unternimmt indes einen lautlosen Protestversuch, aber Mulder erlaubt ihr keine weiteren Sperenzchen: Er pflanzt ihr seine rechte Hand ein paar Zentimeter vors Gesicht, packt sie mit der anderen am Ellbogen und hält sie, wie die Grundschullehrer das mit den schlimmsten Lausbuben der Klasse machen, bei sich unter Kontrolle, damit sie nur ja nichts mehr anstellt.
    Für den Kameramann bedeutet die Stilllegung von Mary Stracqua einen klaren Befreiungsschlag, auf den er schon ewig gewartet zu haben scheint – er legt nämlich eindeutig an Beweglichkeit zu, handhabt sein Geschäft jetzt mit Leichtigkeit, ja sogar Anmut, bewegt sich von hier nach da, geht in die Knie und wieder hoch, fängt Ausschnitte vom Supermarkt ein, setzt Spots auf die Menge, die lästernden Hyänen und zielt schließlich geradewegs auf einen der Aufzeichnungsmonitore.
    »Ich heiße Romolo Sesti Orfeo«, sagt der Ingenieur direkt in die Kamera, »und ich bin Informatikingenieur. Die Videoüberwachungsanlage in diesem Supermarkt habe ich geplant, und ich habe die Geiselnahme organisiert, die Sie in diesem Augenblick gerade miterleben.«
    Er spricht flüssig, in ruhigem, unaufgeregtem Ton wie jemand, der genau weiß, was er sagen will, und der sich alle Zeit dafür nimmt, die er braucht. Trotzdem hört sich seine Stimme an, als wäre sie ein wenig gealtert (ein wirklich seltsames Gefühl, so, wie wenn einen Rührung überkommt, ohne dass man weiß, warum). Als wäre ihr infolge des ganzen Stresses eine Oktave im Stimmumfang abhandengekommen.
    »Zunächst möchte ich alle um Entschuldigung bitten, die mich kennen und vor allem mögen, denn ich weiß, dass ich kein gutes Bild von mir abgebe. Außerdem hätte ich mir selbst nie träumen lassen, dass ich einmal so weit gehen würde. Ich bin immer ein sanftmütiger Mensch gewesen, ein Familienvater, ein Arbeiter. Mein Leben war unkompliziert, ich hatte normale Zukunftsaussichten. Ich hatte einen Sohn. Und dann hat der da«, und hier dreht der Ingenieur sich mit ausgestrecktem Zeigefinger zu Matrix, »… dann hat der da ihn mir einfach weggenommen.«
    Matrix hebt

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