Meine Seele weiß von dir
kostbaren Glasrahmen getan, um es dann ganz unten in meiner Nachttischschublade unter Taschenbüchern, Ohropax, Kopfschmerztabletten und einem Päckchen Tempos zu vergraben ? Das macht doch gar keinen Sinn!
Und da ist der Schreibtisch in meinem Atelier. Er ist abgeschlossen. Ich habe keine Ahnung, wo der Schlüssel ist , und bin beunruhigt, dass ich ihn überhaupt verschlossen habe. Warum? Schnüffelt Leander in meinen Sachen herum? Misstraue ich ihm oder ist es bloß eine Marotte?
Mein Handy liegt auf dem Schreibtisch. Den PIN-Code weiß i ch nicht. Aber Leander behauptet, so etwas notiere ich in meinem Telefonregister, weil ich mir Zahlen grundsätzlich schlecht merken kann. Darum blättere ich es durch, schaue unter P wie PIN nach, finde aber lediglich die Rufnummer einer Pizzeria, die Pino`s heißt.
Unter H, wie Handy, werde ich fündig; der Code lautet 7353. Darüber muss ich lachen. Gibt man die Ziffern in einen Taschenrechner ein und stellt sie auf den Kopf, ergeben sie das Wort Esel . Keine Ahnung, woher mir das zufliegt, aber es erscheint mir auf komische Weise passend. Habe ich den Code so beantragt, weil ich mir Zahlen schlecht merken kann?
Außerdem steht da noch eine Handynummer. Ohne Namen, einfach nur eine Zahlenfolge, quer über das Papier geschrieben: 0177/669 441 082. Und dahinter, sorgfältig gezeichnet und ausgemalt: ♥
Ich finde das ausgesprochen albern. Glaube ich. Doch tief in mir drinnen versetzt es mir einen nadelfeinen Stich.
Mit der Kuppe meines Zeigefingers gleite ich über die Nummer und das Herz und frage mich: Was hat das zu bedeuten?
Kapitel 7
Ich schlafe schlecht und meine Träume sind schlimm. Oder besser mein Traum, denn es ist immer derselbe: das Echo der Stimme in meinen Gehörgängen.
Ich falle in den Swimmingpool und versinke. Das schwarze Wasser nimmt mir den Atem. Reflexartig r inge ich nach Luft, mein Brustkorb fühlt sich an, als würde er von einer großen Faust zusammengepresst. Mein Herz rast zum Zerspringen. In meinem Schädel zucken bläulichweiße Blitze und meine Trommelfelle platzen schmerzhaft unter dem entsetzlichen Druck in meinem Kopf.
Panik steigt in mir auf, als ich spüre, wie meine Kräfte erlahmen. Ich bin sicher, dass ich es nicht länger aufhalten kann - trotzdem kämpfe ich weiter, bis das Wasser schließlich meine Lungen füllt und meinen letzten Widerstand verschlingt.
Ich erschlaffe.
Die Faust, die mir eben noch die Brust zuschnürte, scheint sich nun um meine Knöchel zu legen und mich mit aller Macht nach unten zu ziehen.
Tiefer.
Und tiefer.
Ich versinke in Schwärze.
Das ist der Moment, in dem ich schreiend und wild um mich schlagend hochschrecke. Danach kann ich nicht mehr schlafen, bin ein zitterndes Bündel aus Fleisch und Blut und blanken Nervensträngen.
In solchen Nächten streife ich durch die Einsamkeit des Hauses. Das Ticken der Standuhr, die in der Diele steht, erfüllt scheinbar jeden Winkel. Meist tippelt Rainer Maria hinter mir her. Er stupst mir sein Mäulchen so lange in die Kniekehlen, bis ich ihm einen nächtlichen Imbiss serviere. Er bevorzugt Kochschinken, habe ich herausgefunden. Hat er ihn bekommen, verschwindet er durch die Katzenklappe in der Küchentür hinaus in die Nacht.
In Leanders Arbeitszimmer riecht es nach Leander. Deswegen setze ich mich gern in seinen Schreibtischstuhl. Ich schalte den Fernseher ein, der dort steht, um mir seine Sendung anzuschauen. Es gibt mir das Gefühl, er wäre hier.
Leander sieht so gut aus, dass ich häufig eine Hand ausstrecke, um sein Gesicht auf dem Bildschirm zu berühren. Seine Augen glitzern wie dunk elgrüner Turmalin. Seine ungezwungene Art, mit den Anrufern umzugehen, gefällt mir.
Er ist einfühlsam, kann wirklich gut zuhören und man spürt, dass ihn die Probleme dieser Menschen beschäftigen. Manchmal versucht er, ihnen Ratschläge zu geben.
Und seine Stimme! Wenn ich die Augen schließe und ihm zuhöre, kann mein Körper nicht anders, als auf Gänsehaut zu schalten. Ich wünsche mir, dass ich nicht vergessen hätte, wie es sich anhört, wenn er sagt: „Ich liebe dich.“ Aber ich tröste mich damit, wenigstens zu wissen, wie es sich anhört, wenn er diesen Aerosmith Song singt.
Das kann nur heißen, dass er mich liebt . W as macht es da schon, dass er diese drei kleinen Worte nie ausspricht, sich häufig distanziert verhält und im Gästezimmer schläft?
Das hat ganz sicher mit meiner Amnesie zu tun. Er weiß, dass er für mich ein
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