Meine Seele weiß von dir
Lächeln. „Eine kleine Pause kann nicht schaden, oder?“
Dieser Vorschlag kommt unerwartet. Ich blinzele. „Da... das scheint mir eine gute Idee zu sein.“
„Bestimmt?“
„Ja.“
Leander lässt mich los. „Lass uns eine Kleinigkeit essen und ein bisschen an die frische Luft gehen.“
„Gut.“
„Danach sehen wir weiter.“
Wir.
Er hat wir gesagt.
Ich sitze verweint, verschwitzt, mit Schokolade verschmiert und die Nerven blank auf dem Fußboden in meinem Kleiderschrank, neben meinem Mann, der mir fremd geworden ist und mindestens so nervös und angsterfüllt scheint wie ich. Die Vergangenheit ist ein Trümmerfeld, die Zukunft ein unbekannter Ort -, aber er hat wir gesagt.
Es ist lange her, seit ich zuletzt so froh gewesen bin.
Leander klettert aus dem Schrank, reckt sich und dehnt seine langen Glieder. „Komm.“ Er hält mir seine Hand hin.
Ich nehme sie. Ich halte sie. Umklammert.
Wir machen Käseomelett. Dazu gemischten Salat. Leander entkorkt eine Flasche Rotwein. Es ist ein Barolo, den wir aus unserem letzten Italienurlaub mitgebracht haben. Wir waren im November für ein paar Tage auf einem Weingut in der Toscana und hatten dem Dolce Vita gefrönt: süßes Nichtstun, viel Schlaf, gutes Essen, Wein und Amore.
Krümel wurde in dieser Woche gezeugt.
Auf der Terrasse, wo wir den Tisch gedeckt haben, ist es noch sonnig und warm. Ich sitze mit dem Rücken zum Pool, Leander hat sich mir gegenüber niedergelassen. Während des Essens lassen wir uns nicht aus den Augen. Ich will nicht sagen, dass wir uns belauern, zumindest jedoch beobachten wir einander mit wachen, nervösen Blicken.
Als mir das Schweigen zu lange dauert, frage ich ihn nach Claudia.
Leander bekommt ein Bröckchen in die Luftröhre und hustet. Ich muss ihm lange auf den Rücken klopfen, ehe er mit geröteten Augen hervorpresst, dass er mir alles über sie und sich erzählen wird – sobald ich mit meiner Geschichte fertig bin.
Ich schiebe meinen leeren Teller zurück, bevor ich fortfahre, mich um Kopf und Kragen zu reden. Hier und jetzt bin ich wahrscheinlich gerade dabei, den letzten Funken Hoffnung, den es für Leanders und meine Liebe gibt, zu ersticken.
Kapitel 35
Ich öffnete nach dem zweiten Klingeln und stand vor ihm.
„Guten Morgen.“ Die dunkelblauen Anflüge der Bartstoppeln, die Ricks Gesicht zierten, standen ihm gut. Wie häufig in den vergangenen Tagen versetzte mir seine Ähnlichkeit mit Leander einen gelinden Schock.
„Morgen, Hendrik.“ Ich rang mir ein Lächeln ab. „Komm rein. Der Kaffee ist fertig.“
Rick zog seine Jacke aus und hängte sie auf. Er stellte eine silberfarbene Geschenktüte ab und lehnte eine Ledermappe gegen die Wand. „Ein paar Bilder und Stifte“, beantwortete er meine unausgesprochene Frage. „Im Wagen wird es schnell zu feucht um diese Jahreszeit. Das bekommt den Zeichnungen nicht.“
Und so hockten wir kurz darauf an meinem Küchentisch. Wir aßen schweigend. Ich hatte das Gefühl, dass sich in letzter Zeit ein Großteil meines Lebens in Küchen abspielte, und meistens stand eine Tasse Kaffee vor mir oder ich aß irgendwas.
Rick stand auf und ging hinaus. Er kam mit der silbernen Tüte zurück, stellte sie vor mich hin und zog eine Flasche Baileys hervor. „Von Monikas Eltern. Um ehrlich zu sein, könnte ich einen Schluck vertragen.“
„Gut. Ich nehme auch ein bisschen was davon. Aber nicht pur! In den Kaffee, bitte.“
Er schraubte die Flasche auf und goss uns beiden großzügig von dem cremigen Likör in die dampfenden Tassen. Danach setzte er sich an den Tisch, hob seine Tasse und prostete mir zu. „Auf seltsame Nächte.“
„Auf seltsame Nächte.“
Da war der Geschmack von Whiskeycreme und starkem Kaffee in meinem Mund. Die Schlucke rannen heiß meine Kehle hinunter. In meinen Fußsohlen begann es zuerst zu kribbeln, bevor es auch meinen übrigen Körper durchrieselte.
Das geschieht stets, wenn ich Alkohol trinke. Fast sofort breitet sich eine leichte, wohltuende Entspanntheit in mir aus. Alles um mich herum tritt weniger scharf hervor, wie bei einer dieser Kameralinsen, die alles verwischen. Nur die Farben kommen mir intensiver vor.
Wir tranken drei oder vier Tassen von dieser Mischung, wobei der Anteil an Kaffee sich in dem Maß verringerte, in dem der des Baileys zunahm. Währenddessen sprachen wir kein Wort. Ich überlegte gerade, worüber ich mit Hendrik reden könnte, da griff er über den Tisch hinweg und nahm eine Strähne meines
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