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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maiwald Stefan
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gab mir einen wichtigen Tipp zum Kochen auf den Weg – einen Tipp, der vor allem für die rauen Nudeln gilt, auf die Sie jetzt bestimmt Appetit bekommen haben. Raue Nudeln brauchen viel mehr Wasser als glatte Nudeln, weil sie durch ihre größere Oberflächenstruktur mehr Wasser absorbieren. Bei zu
wenig Flüssigkeit im Topf können die Nudeln anbrennen und miteinander verkleben. Nehmen Sie also mindestens sieben Liter Wasser für ein Kilogramm Pasta. Und das bedeutet: Wir alle müssen uns größere Töpfe kaufen. Die Maßgabe »ein Liter pro 500 Gramm«, die für Industrieware gilt, wäre verheerend.
    Außerdem empfahl mir Sergio eine Osteria in der Gegend namens »Sogni in Tavola« (»Tischträume«), obwohl die nicht einmal seine Pasta servierten, sondern die von der Konkurrenz.
    Doch vorher hatte ich noch einen Termin mit Giuseppe di Martino. Ihm gehören zwei der zwölf Pastamanufakturen, vor allem aber ist er der Sprecher des Gragnano-Nudel-Konsortiums. Die Gragnesi hätten sich niemand Besseren aussuchen können. Giuseppe ist ein Kugelblitz auf Beinen mit hoher Stimme und zwei Telefonen am Ohr. Er klappte noch während der Begrüßung sein iPad mit den Zähnen auf und zeigte mir bei Google Maps eine Luftaufnahme von Gragnano. Gott, sagte Giuseppe und hob seine Stimme noch ein wenig mehr an, Gott habe Gragnano aus nur einem Grund erschaffen: um Pasta herzustellen, denn kein Ort weltweit könne mit den Vorteilen von Gragnano konkurrieren. Es liegt in einem Talkessel, der zum Westen hin offen ist. Der Wind kommt also vom Meer mit traumwandlerischer Sicherheit und Gleichmäßigkeit, und das Geheimnis vernünftiger Pasta-Produktion ist die Verlässlichkeit der herrschenden Bedingungen, die zu wiederholbaren Ergebnissen führt. Der geschützte Westhafen war ein idealer Ankerplatz für Kornschiffe aus dem ganzen Mittelmeerraum. Auch zur
Geschichte der Pasta in Gragnano hat Giuseppe ein paar Takte zu sagen: Schon der Name des Städtchens stamme von »Gens Granus«, dem Lateinischen für »Korn-Menschen«; offenbar hatte sich noch zur Römerzeit eine Dynastie von Müllern niedergelassen. Es gibt sogar einen schriftlichen Beweis: Der Vulkanausbruch 79 n. Chr. traf nicht nur Pompeji, sondern unter anderem auch Herculaneum, heute Ercolano. Dessen Einwohner hatten, statt übers Meer zu fliehen, sich in einem Bootshaus am Hafen versammelt, wo sie sich sicher wähnten. Dort wurden sie vom 400 Grad Celsius heißen pyroklastischen Strom überrollt und starben binnen Sekunden am thermischen Schock. In den konservierten Überresten des Städtchens wurde bei einem Bäcker eine Inschrift gefunden: pane granius , »Brot aus Gragnano«, wohl ein ähnliches Qualitätsmerkmal wie heutzutage Made in Germany . Das gute Quellwasser aus den Bergen rund um Gragnano lieferte zudem nicht nur den zweiten wichtigen Inhaltsstoff für die Pasta, sondern sorgte quasi im Vorbeiplätschern für den aufwendigsten Arbeitsschritt von allen: Wenige Kilometer außerhalb von Gragnano liegt das Valle dei Mulini, das Tal der Mühlen, wo jahrhundertelang Wassermühlen die mühsame Mahlarbeit übernahmen.
    Pasta, sagt Giuseppe, entstand mit der Verstädterung. In Rom und anderen Metropolen des Reiches waren haltbare und transportfähige Lebensmittel eine bittere Notwendigkeit geworden. Der Hartweizen, der in Nordafrika und Süditalien wuchs, füllte im Mai und Juni die Kornkammern. Als im September der Weizen aus Germanien und Gallien angeliefert wurde, öffneten die
Herrscher die Silos und verschenkten den übriggebliebenen Hartweizen an die Armen. Allerdings hatten sich in den Körnern längst Insekten gebildet. Also mahlte man das Korn, vermischte es mit Wasser und walzte es erneut. Diese Pressung tötete die Insekten und deren Eier ab, und nebenbei entstanden Lagane , die erste Pasta Europas und nicht nur etymologisch ein Vorläufer der Lasagne. Man schnitt sie in Streifen und gab sie einer Suppe hinzu, und aus den Streifen wurden bald dünne Bändchen, und voilà – da war die Nudel in ihrer heutigen Form auf der Weltbühne erschienen.
    Diese Theorie ist zwar schlüssig, aber umstritten, denn inwieweit Lagane wirklich als Vorbild heutiger Pasta gelten dürfen, ist unklar. Auch wenn es für Giuseppe außer Zweifel steht. Worüber es nachweislich keinen Zweifel gibt: Die zwölf verbliebenen Pastifici von Gragnano haben einen Marktanteil von 14,5 Prozent, wie Giuseppe stolz verkündet. Wäre ganz Gragnano eine Firma, wären sie noch vor De Cecco die

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