Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Beginn des 16. Jahrhunderts kam es zu gewaltigen politischen Umwälzungen in Südeuropa. 1504 musste sich Frankreich im Krieg mit Spanien aus Süditalien zurückziehen, Neapel kam als Vizekönigreich unter spanische Herrschaft. 1509 brach eine schreckliche
Hungersnot aus. Der Vizekönig Conte di Ripa Cursia war zum Glück ein weitsichtiger Regent und befahl die vermehrte Produktion von Pasta secca aus Hartweizen, die im Gegensatz zur Suppe länger haltbar und sogar auf Vorrat produziert werden konnte. Der Erlass des Herrschers verbürgt, dass den Neapolitanern die Nudel von der Obrigkeit aufgezwungen wurde – und noch dazu von einer fremden Macht. Die Makkaroni traten ihren Siegeszug an, möglicherweise wurden sie zuerst in Sizilien hergestellt; aber versuchen Sie das mal einem Neapolitaner zu erklären. Erst 1824 tauchten erstmals die Spaghetti in Neapel auf. Inzwischen sind sie aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Sie sind zum Weltgericht geworden, ja sogar zum Synonym für die Pasta als solche.
Und auch die Tomate war ein Import der Spanier aus der Neuen Welt, dem sich die Neapolitaner zunächst verweigerten, hielten sie die Tomate doch für eine Giftpflanze. Das war nicht ganz falsch, denn sie gehört zur Familie der Nachtschattengewächse, von denen man die meisten Verwandten tunlichst meiden sollte. Der italienische Name pomodoro , »Goldapfel«, stammt von den ersten gelieferten Tomaten, die goldgelb glänzten.
In Sorrent, einer rundum sympathischen Stadt, zumindest in der Nebensaison (im Hochsommer soll es die Hölle auf Erden sein), muss der Weg ins »La Fenice« führen. Das Restaurant liegt, bei allen möglichen spektakulären Blicken, die Sorrent zu bieten hat, ausgerechnet an der lärmenden Hauptstraße und ist auch noch verheerend eingerichtet, mit falschen Weinranken, weißer Massenstuhlware und Kitschmalerei an der Wand. Es sieht
eher wie der Frühstücksraum eines Zwei-Sterne-Hotels aus, in denen Handelsvertreter sich Kaffee aus bereitgestellten Kannen einschenken müssen. Gute Gründe also, genau hier essen zu gehen, denn die Küche muss schon ausgezeichnet sein, um sich angesichts der zahlreichen Konkurrenz mit Blick auf den Vesuv und eine der schönsten Küsten, die das Mittelmeer zu bieten hat, zu halten.
Sorrent hat zwei Spezialitäten, eine davon ist unfassbar für uns auf italienischen Kitsch getrimmte Deutsche: Gnocchi mit Tomatensoße, und nicht einmal (sitzen Sie stabil?) Gnocchi aus Pastateig, sondern Kartoffelgnocchi. Man könnte auch sagen: Knödel in Dessous. Schön und gut, aber dafür muss kein Mensch nach Sorrent fahren und verzweifelt einen Parkplatz suchen. Die zweite Spezialität haut es aber raus und ist jeden Kilometer auf der gewundenen Küstenstraße wert: Paccheri mit Meeresfrüchten. Paccheri, diese riesigen, kurzen, mächtigen und doch eleganten Brocken, sind einfach großartige Nudeln, echte Bissen, stark und durchsetzungsfähig. Wer da zu einer vernünftigen Marke greift, hat schon gewonnen. »La Fenice« hatte zu einer vernünftigen Marke gegriffen und die Pasta mit frischen Muscheln und sonstigem Zeugs aus dem Meer garniert. Es war köstlich. Und dass an einem Februartag viele Einheimische in dieses Restaurant strömten, untermauerte seinen Status als absichtlich geschmacklos getarnter Hotspot.
Immerhin: Den Vesuv gibt es hier als Wandmalerei. Zwar auf Siebtklässlerniveau, aber der Erhabenheit des Vulkans kann auch ein schwacher Pinselstrich nichts anhaben.
Gragnano, Kampanien
Männer mit Mission
D ie Pasta für Neapel und Umgebung und für die ganze Welt wird in Gragnano hergestellt, einem Ort in Sichtweite des Vesuv, 15 Kilometer landeinwärts von Sorrent. Dort sind noch heute zwölf Nudelfirmen ansässig – einst waren es über hundert. Man muss sich schon sehr mit Pasta auseinandersetzen wollen, um Gragnano einen Besuch abzustatten, gibt es doch weiß Gott schönere Orte gleich in der unmittelbaren Umgebung. Sorrent zum Beispiel. Oder Neapel, wenn man den Müll und den Verkehr wegzaubern könnte. Jahrhundertelang basierte die Wirtschaft von Gragnano ausschließlich auf Pasta. Jeder Palazzo war eine Pasta-Manufaktur, und 300 Tage im Jahr wurde die Pasta draußen auf dem Corso Italia getrocknet, der von
den Stadtplanern exakt in der vorherrschenden Windrichtung angelegt worden war.
In Gragnano hatte ich einen Termin im Pastificio Faella. Edler und handgefertigter geht es nun wirklich nicht. Wenn in Fara San Martino Mercedes, Audi und Ferrari daheim sind,
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