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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maiwald Stefan
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entspricht Faella dem Labor des geheimnisvollen Q, jenem Tüftler, der die aufgemotzten Aston Martins für James Bond herstellt. Faella wurde 1907 von Gaetano Faella gegründet und liegt mitten in Gragnano an der Piazza Marconi, und Herr Faella machte mir auch die Tür auf. Jedenfalls stand vor mir der älteste Mann, den ich jemals gesehen habe. Als ich ihm die Hand schüttelte, tat ich das ganz vorsichtig, weil ich befürchtete, er könnte bei der geringsten Berührung zu Staub zerfallen. Doch meine Sorge war unbegründet, er hatte einen mindestens so kräftigen Händedruck wie ich. Der Signore war tatsächlich ein Herr Faella namens Mario, Don Mario, um genau zu sein, Sohn von Firmengründer Gaetano, 97 Jahre alt und immer noch jeden Tag im Büro. Ein richtig cooler Alter mit Cordjackett, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen regelmäßig seine Runden durch seine kleine, feine Fabrik dreht. Ich schloss ihn sofort ins Herz und schämte mich für meine Gedanken in puncto Zerbrechlichkeit.
    Faella also. Kaum ein Sternekoch nimmt eine andere Pasta, und warum das so ist, würde mir in den nächsten vier Stunden Sergio Quinta erklären, angeheirateter Enkel von Don Mario und Manager des Betriebes. Sergio war exakt der Mann, den ich für dieses Buch noch gebraucht hatte. Nach jenem Nachmittag mit ihm klingelten
mir die Ohren noch tagelang, und das Notizbuch war über 55 Seiten vollgeschrieben. Im Moment der Verabschiedung war ich mir sicher, dass ich, nach tausenden gefahrenen Kilometern quer durch Italien, mehr über die Pasta wusste als jeder andere Deutsche. Ich war spätestens jetzt, an jenem dunstigen, kühlen Abend in Kampanien, ein veritabler Pasta-Experte geworden. »Fragt mich was!«, wollte ich auf dem Dorfplatz ausrufen, »Ich kenne die Antwort!« Zugegeben, auf dem Dorfplatz von Gragnano, der zweiten (oder ersten) Welthauptstadt der Pasta, wäre diese Aktion vielleicht vermessen. Aber auf dem Münchner Marienplatz nehme ich jede Herausforderung der Umstehenden an.
    Gehen wir es der Reihe nach durch. Als Erstes bestärkte mich Sergio, ein umgänglicher Enddreißiger mit dunklen Locken, in meiner Regionenauswahl für dieses Buch, was wirklich gut war, denn die Reise lag zu diesem Zeitpunkt schon zu mehr als zwei Dritteln hinter mir. Hätte Sergio jetzt erzählt, dass ich für die beste Pasta unbedingt noch nach Rom, in die Toskana oder in die Lombardei reisen müsste, hätte das Buchprojekt wegen ausufernder Spesen und einer Ehefrau, die bereits seit Monaten auf mich wartete und immer scheidungswilliger wurde, auf der Kippe gestanden. Auch nahm er mir mein schlechtes Gewissen, weil ich Grado und das Friaul so überrepräsentiert hatte. Nein, die Spaghettini mit Meeresfrüchten aus dem Friaul gehörten definitiv in ein Nudelbuch, bestätigte Sergio. Er habe sogar einige Abnehmer unter den Restaurants in Grado und an der oberen Adria. Na bitte. Er erklärte mir auch, warum man
in meiner Heimat so gern in den Meeresfrüchte-Nudeln die dünnen Spaghettini isst – nicht, weil sie sich mit den Muscheln am besten vereinen (das tun sie nicht, jedenfalls nicht besser als andere Pasta), sondern weil sie sich beim Esser nicht allzu schwer anfühlen, sondern, passend zur delikaten Vongola, luftig-leicht.
    Die wichtige Frage aber, die mich seit Reisebeginn umtrieb: Was macht die bestmögliche Pasta aus? Und hier zeigte sich, dass ich mit Sergio den Richtigen für eine kenntnisreiche Antwort getroffen hatte, denn er hätte ja jetzt einfach auf sein Produkt zeigen können, und die Sache wäre erledigt gewesen. Stattdessen folgte ein tiefer Einblick in die Produktionsweise großer und kleiner Unternehmen, und Sergio war immer bereit zuzugeben, dass andere es manchmal eben auch gut hinkriegten. Er war ein Besessener, nämlich immer auf der Suche nach der noch besseren Möglichkeit, seine Pasta schmackhafter zu machen.
    Natürlich haben all diese kleinen Pasta-Manufakturen einen großen Vorteil: Sie lassen es langsam angehen. Der erste Schritt, die Vermischung von Hartweizenmehl mit dem guten Bergquellwasser, findet in Faella in aller Ruhe und unter ständiger Aufsicht statt. Kein Roboter rührt mit hektischen Rührstäben herum. »Wir machen dem Teig keinen Stress«, sagt Sergio, »dann wird das Korn nicht unruhig.« Das Prinzip der Langsamkeit setzt sich auch in der Formung im Bronzesieb fort, der sogenannten Extrusion, was, wir wissen es schon aus Fara San Martino, für die raue Oberfläche sorgt. Genau so wichtig ist

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