Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Nummer zwei in Italien. Und: Nach dem System der DOC-Weine ( Denominazione d‘Origine Controllata ) und DOP-Schinken ( Denominazione d’Origine Protetta ) ist Gragnano jetzt auch dank des IGP-Siegels ( Indicazione Geografica Protetta ) ein geschütztes Nudel-Reservoir geworden.
Ich hatte noch immer nichts gegessen. Es war nach 21 Uhr, und vor dem Hotel sprach mich ein sehr kleiner, älterer Mann an. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn
verstanden hatte, aber dann stellte sich heraus, dass er Giannino hieß und Taxifahrer war – ob ich irgendwo hinwolle? Oh ja, ich wollte mein Auto stehen lassen und große Mengen Pasta mit ebenso großen Mengen Wein herunterspülen. »Zum Ristorante Sogni in Tavola, bitte«, sagte ich. »Sehr gut«, sagte er. Erst da fiel mir auf, dass er zu Fuß unterwegs war, was einen bei einem Taxifahrer ja tendenziell wundern sollte, aber er sagte mir, ich solle vor dem Hoteleingang auf ihn warten, er hole nur schnell sein Auto. Zehn Minuten später kam er tatsächlich vorgefahren, und es war nicht zu glauben – er fuhr einen Lancia aus dem Jahr 1958. »Zwanzig Jahre älter als du«, sagte er. Schmeichler. Welches Modell genau es war? Keine Ahnung, damals waren Modellnamen wahrscheinlich noch nicht erfunden. Er machte mir die Beifahrertür von innen auf, denn die Tür ließ sich nur von innen öffnen. Der Sitz hatte keine Nackenstütze und auch der Gurt hing nur dekorativ von einer Halterung am Mittelholm, aber was soll’s – ich fügte mich meinem Schicksal. Gemächlich glitten wir durch Gragnano. Einmal ditschte, ich schwör’s, sein linker Außenspiegel den Arm eines Verkehrspolizisten an, der sich das hehre Ziel gesetzt hatte, ein bisschen Ordnung ins Chaos zu bringen. Giannino kicherte, und erstaunlicherweise machte der Kontakt auch dem Polizisten nichts aus. Es ist einfach eine andere Welt rund um Neapel. Giannino machte mit mir im abendlichen Gewühl eine beschauliche Stadtrundfahrt. »Hier ist das Rathaus«, »Hier ist die Grundschule«, »Hier in der Bar hat Luciano mal seinen Regenschirm vergessen«. Die hupende Schlange hinter
uns ignorierte er souverän. Genau diese Souveränität hätte ich gern. In einer Pille komprimiert, würde sie das Aspirin des 21. Jahrhunderts werden.
Im »Sogni in Tavolo« war ich, natürlich, allzu zeitig eingetroffen, und zum wiederholten Mal auf meinem Pasta-Trip spähte man mir ungläubig durch Gardinen entgegen, als ich an der Tür rüttelte, aber ich wurde dann doch von Kellnerin Maristella und Koch Alfonso freundlich empfangen. Später kam auch Alfredo hinzu, einer der Teilhaber, und wir hatten viel Zeit zum Plaudern; die anderen Tische waren offenbar erst ab Mitternacht reserviert. Neben Sergio Quinta von Faella hatte auch Pasta-Promoter Giuseppe mir das Lokal empfohlen, also setzte ich auf Alfredo und Alfonso, meinen Gaumen zu verwöhnen: Sie sollten mir bitte die Pastaspezialität aus dem neapolitanischen Hinterland servieren und dazu einen Wein aus der Region entkorken. Das hatte ich mir nach all diesem Drecksverkehr nun wirklich verdient.
Was dann kam, warf mich um. Das Gericht heißt offiziell Paccheri con noci e Provolone di Monaco , also mit Walnüssen und einem heimischen Käse, zu einer sämigen Soße verlaufen, und sie waren wie ein Küchengruß Gottes. Ich aß sie, und wäre dabei ein Vulkanausbruch über mich gekommen, ich hätte nur bedauert, noch nicht aufgegessen zu haben. Dann stippte ich die Reste mit Brot auf, und als der Teller blitzblank war, fragte ich, ob ich ihn mit nach Hause nehmen könne, um ihn in Ruhe abzulecken. Ich gebe zu, Paccheri sind ohnehin meine Leidenschaft, weil sie so ungeheuer bissfest sind, aber diese Pasta war wirklich ein Blick hinter den Vorhang der
Unsterblichkeit. Der herbe Käse, der das ganze Gericht umschloss, das nussig-süßliche Element, die gewaltige Pasta – eine großartige Kombination.
Paccheri sind ein neapolitanisches Dialektwort für Ohrfeigen. Angeblich sind sie entstanden, weil ein Lehrling an der Pasta-Schneidemaschine stand und Zentimeter mit Millimeter verwechselt hatte. Heraus kamen also die langen, dicken Dinger. Der Meister sah das Desaster und fragte: »Was ist das?«, »Nudeln«, antwortete der Lehrling. Der Meister verpasste dem Lehrling eine Ohrfeige. »Was ist das?« »Nudeln«, antwortete der verdutzte Lehrling. »Was ist das?«, fragte der Meister erneut und verpasste dem Lehrling eine weitere Ohrfeige. »Verflixt, das sind Ohrfeigen «, entfuhr es dem Lehrling. Womit
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