Meine Tiere, mein Leben
selbstvergessen vor sich hin saugte.
Bert lachte. »Mit diesen Kleinen hat sie den Vogel abgeschossen.« Er beugte sich vor und stupste den Erstgeborenen mit einem schwieligen Zeigefinger an. »Dieser große Kerl gefällt mir. Würd sagen, den behalten wir, Mutter. Wird unserem alten Mädchen hier Gesellschaft leisten.«
Es war Zeit aufzubrechen. Helen und ich gingen zur Tür, und mit der Hand auf der Klinke sah die kleine Mrs. Chapman zu mir auf. »Also, Mr. Herriot«, sagte sie, »ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie hier rausgekommen sind und uns die Sorgen genommen haben. Weiß gar nicht, was ich mit diesem Mann angestellt hätte, wenn dem kleinen Hund was zugestoßen wär.«
Bert grinste verlegen. »Nee«, murmelte er, »hab mir nicht richtig Sorgen gemacht.«
Seine Frau lachte und öffnete die Tür. Als wir in die stille duftende Nacht hinaustraten, ergriff sie meinen Arm und blinzelte mich schelmisch an.
»Nehme an, dies ist Ihre junge Dame«, sagte sie.
Ich legte meinen Arm um Helen.
»Ja«, antwortete ich mit Nachdruck. »Dies ist meine junge Dame.«
5 - Happy Harry die Frohnatur
DAS ERSTE MAL SAH ICH PHIN CALVERT auf der Straße, als ich mich gerade mit Brigadier Julian Couts-Browne über seine Jagdhunde unterhielt. Der Brigadier war fast eine Bühnenversion des englischen Aristokraten. Sehr groß, ein wenig vorgebeugt, mit einem Habichtgesicht und einer hohen, näselnden Stimme. Während er sprach, stieg der Rauch einer dünnen Zigarre von seinen Lippen auf.
Ich wandte den Kopf, als ich schwere Schritte hörte. Ein untersetzter Mann kam auf uns zugestapft, die Hände unter die Hosenträger geschoben, die schäbige Jacke weit offen, sodass die gewölbte Fläche eines kragenlosen Hemds sichtbar wurde. Graue Haarsträhnen hingen wie Fransen unter einer schmierigen Mütze. Er lächelte strahlend vor sich hin und summte ein Liedchen.
Der Brigadier streifte ihn mit einem kalten Blick und brummte: »Morgen, Calvert.«
Phineas hob den Kopf. »Na, Charlie, wie geht’s denn so?«, brüllte er.
Der Brigadier machte ein Gesicht, als hätte er versehentlich Essig getrunken. Er nahm die Zigarre mit zitternder Hand aus dem Mund und starrte dem Mann nach. »Unverschämter Kerl«, murmelte er.
Wenn man Phin so sah, hätte man ihn niemals für einen wohlhabenden Bauern gehalten. Eine Woche später wurde ich zu seinem Hof gerufen und fand zu meiner Überraschung ein stattliches Haus mit Wirtschaftsgebäuden vor. Auf den Feldern graste eine Herde schöner Milchkühe.
Ich hörte ihn schon, bevor ich aus dem Wagen stieg.
»Hallo, hallo! Wen haben wir denn da? Ein neuer Bursche, wie? Jetzt werden wir wohl was lernen!« Er hatte die Hände wieder unter die Hosenträger geschoben und grinste breit.
»Ich heiße Herriot«, sagte ich.
»Wirklich?« Phin betrachtete mich prüfend und wandte sich dann an die drei jungen Männer, die hinter ihm standen. »Hat er nicht ein nettes Lächeln, Jungs? Happy Harry ist ja eine richtige Frohnatur.« Er führte mich über den Hof. »Kommen Sie, ich hoffe, Sie verstehen ein bisschen was von Kälbern, denn ich habe ein paar, die sind etwas komisch.«
Als wir den Kälberstall betraten, wünschte ich insgeheim, dass es mir gelänge, etwas zu tun, was Eindruck machte – vielleicht konnte ich einige der neuen Medikamente und Seren anwenden, die ich im Auto hatte; es musste schon etwas Besonderes sein, wenn ich den Leuten hier imponieren wollte.
Vor mir standen sechs gut gewachsene Jungtiere, und drei von ihnen benahmen sich höchst merkwürdig. Sie knirschten mit den Zähnen, hatten Schaum vor dem Maul und stolperten umher, als könnten sie nicht sehen. Eines der Tiere lief gegen die Wand und blieb dort stehen, die Nase an den Stein gepresst.
Phin gab sich uninteressiert und summte vor sich hin. Als ich mein Thermometer aus dem Futteral nahm, schrie er: »Na, was passiert denn jetzt? Achtung, es geht los!«
Die halbe Minute, die mein Thermometer im After eines Tieres steckt, verbringe ich meistens mit hektischem Nachdenken. Diesmal aber stand meine Diagnose von vornherein fest; die Blindheit war ein eindeutiges Symptom. Ich begann die Wände des Stalls abzusuchen; es war dunkel, und ich musste das Gesicht dicht an den Stein halten.
»He, was soll das?«, rief Phin. »Sie sind ja ebenso schlimm wie meine Kälber mit ihrer Schnüffelei. Was suchen Sie?«
»Farbe, Mr. Calvert. Ich bin nahezu sicher, dass Ihre Kälber eine Bleivergiftung haben.«
Phin
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