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Meine Tiere, mein Leben

Meine Tiere, mein Leben

Titel: Meine Tiere, mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Sommer beim Schneiden der Graskanten, im Winter beim Streuen und Schneeschieben.
    Bert Chapman hatte ich erst vor ein oder zwei Tagen gesehen. Er saß auf einem Grashügel, neben sich eine Schaufel, in der Hand ein riesiges Butterbrot. Er hatte seinen in Kordstoff gehüllten Arm zum Gruß erhoben, und ein breites Lächeln teilte sein rundes, von der Sonne gerötetes Gesicht. Er hatte unendlich sorglos gewirkt, doch jetzt lächelte er gequält.
    »Tut mir Leid, sie so spät aufzustören, Mr. Herriot«, sagte er, als er uns ins Haus führte, »aber ich mach mir ein bisschen Sorgen um Susie. Die Kleinen sind fällig, und sie hat ihr Nest gebaut und den ganzen Tag hin und her gewühlt, aber nichts passiert. Eigentlich wollt ich bis morgen warten, aber um Mitternacht rum fing sie an, wie wild zu hecheln – gefällt mir nicht, wie sie aussieht.«
    Susie gehörte zu meinen regelmäßigen Patientinnen. Ihr großes, robustes Herrchen brachte sie immer in die Praxis, ein wenig verlegen ob seiner Fürsorge, und wenn ich ihn im Wartezimmer so deplaziert inmitten all der Damen mit ihren Haustieren sitzen sah, sagte er für gewöhnlich: »Die Misses hat drum gebeten, dass ich sie herbring.« Doch es war eine fadenscheinige Ausrede.
    »Sie ist ja bloß ein kleiner Mischling, aber sehr treu«, sagte Bert immer noch entschuldigend, aber ich konnte seine Gefühle für Susie nachvollziehen, ein strubbeliges kleines Gassenkind, dessen einzige List darin bestand, die Pfoten auf mein Knie zu setzen und mir mit wedelndem Schwanz ins Gesicht zu lachen. Ich fand sie unwiderstehlich.
    Doch heute Nacht war sie wie verwandelt. Als wir ins Wohnzimmer traten, kam das kleine Tier aus seinem Korb gekrochen, wedelte einmal unbestimmt mit dem Schwanz und blieb dann schwer atmend mitten im Raum stehen.
    Als ich mich herunterbeugte, um sie zu untersuchen, streckte sie mir ein keuchendes Maul und ängstliche Augen entgegen.
    Ich fuhr mit den Händen über ihren Bauch. Einen aufgeblähteren kleinen Hund habe ich wohl nie erlebt. Susie war rund wie ein Fußball, sie quoll über vor Welpen, war bereit, doch nichts passierte.
    »Was meinen Sie?« Bert sah abgezehrt aus unter seinem Sonnenbrand, und er strich dem Hund kurz mit einer großen schwieligen Pranke über den Kopf.
    »Ich weiß noch nicht, Bert«, erwiderte ich, »ich muss mich von innen herantasten. Würden Sie mir bitte heißes Wasser bringen?«
    Ich tat etwas Antiseptikum ins Wasser, wusch mir die Hände und fuhr mit einem Finger vorsichtig hinein. Da war ein Welpe, kein Zweifel; meine Fingerspitze ertastete die Nasenlöcher, den winzigen Mund und die Zunge, aber er versperrte sich selbst den Ausgang wie ein Korken auf einer Flasche.
    Auf den Fersen hockend wandte ich mich wieder an die Chapmans. »Ich fürchte, ein großer Welpe steckt fest. Ich habe das Gefühl, wenn sie das Kerlchen loswerden könnte, würden die anderen schon folgen. Vermutlich sind sie kleiner.«
    »Können Sie ihn irgendwie schieben, Mr. Herriot?«, fragte Bert.
    Ich überlegte einen Moment. »Ich werde den Kopf in die Zange nehmen und sehen, ob er sich bewegt. Ich tue das nur ungern, aber ich werde einen ganz vorsichtigen Versuch unternehmen, und wenn der fehlschlägt, muss ich sie zum Kaiserschnitt in die Praxis mitnehmen.«
    »Eine Operation?«, sagte Bert tonlos. Er schluckte und warf seiner Frau einen ängstlichen Blick zu. Wie viele groß gewachsene Männer hatte er eine besonders kleine Frau geheiratet, und als sie sich nun in ihren Sessel kauerte und mich mit weit aufgerissenen Augen anblickte, sah Mrs. Chapman sogar noch kleiner aus als ihre ein Meter fünfzig.
    »Ach, hätten wir sie doch nie begatten lassen«, jammerte sie und rang die Hände. »Ich hab Bert gesagt, fünf Jahre ist zu alt für einen ersten Wurf, aber er wollt ja nicht hören. Und jetzt verlieren wir sie vielleicht.«
    Eilig beruhigte ich sie. »Nein, sie ist nicht zu alt, und wahrscheinlich wird alles gut. Mal sehen, wie wir hier vorankommen.«
    Ich kochte das Instrument einige Minuten lang auf dem Herd ab, dann hockte ich mich wieder hinter meine Patientin. Für einen Augenblick hielt ich die Zange reglos in der Hand, und beim Aufblitzen des Stahls schlich sich ein grauer Schleier unter Berts sonnenverbrannten Teint, während seine Frau sich in ihrem Sessel zu einer Kugel zusammenrollte. Da beide als Assistenten ganz offensichtlich nicht zu gebrauchen waren, hielt Helen Susies Kopf, als ich mich erneut zu dem Welpenköpfchen vortastete. Es war

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