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Meine Tiere, mein Leben

Meine Tiere, mein Leben

Titel: Meine Tiere, mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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entsetzlich wenig Platz, doch es gelang mir, die Zange an meinem Finger entlang zu führen, bis sie die Nase berührte. Dann öffnete ich ganz behutsam die Zange und schob sie mit sanftestem Druck nach vorn, bis ich beide Seiten des Kopfes zu fassen bekam.
    Nun würde ich es bald wissen. In einer solchen Situation kann man nicht ziehen, man kann nur Impulse geben. Genau das tat ich, und mir war, als spürte ich eine winzige Regung. Ich versuchte es noch einmal, und nun gab es keinen Zweifel mehr, der Welpe kam mir entgegen.
    Auch Susie schien zu spüren, dass sich ihr Blatt zum Besseren wendete. Sie löste sich aus ihrer Apathie und presste nach Kräften.
    Danach war es überhaupt kein Problem mehr. Ich konnte den Welpen praktisch ohne Widerstand herausziehen.
    »Ich fürchte, der Erste wird nicht leben«, sagte ich, und als das winzige Geschöpf quer über meinem Handteller lag, war keine Atmung erkennbar. Doch als ich den Brustkorb zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, fühlte ich einen regelmäßigen Herzschlag, und so öffnete ich rasch seinen Mund und blies sanft in seine Lunge.
    Dies wiederholte ich einige Male, dann legte ich den Welpen auf die Seite ins Körbchen. Gerade hatte ich mich damit abgefunden, dass es keinen Sinn hatte, da hob sich jäh der kleine Brustkorb, dann nochmals und ein weiteres Mal.
    »Er schafft’s!«, rief Bert begeistert aus. »Das ist ein Champion! Wir wollen weiß Gott, dass diese Kleinen am Leben bleiben. Sie sind von Jack Dennisons Terrier, und das ist ein ganz Doller.«
    »Genau«, bestätigte Mrs. Chapman. »Egal, wie viele sie auch hat, sie sind alle schon vergeben. Jeder will einen Welpen von Susie.«
    »Das glaube ich gern«, sagte ich. Und lächelte in mich hinein. Jack Dennisons Terrier war noch so ein Hund ungewisser Herkunft, und dieser Wurf würde eine ganz wilde Mischung werden, doch bestimmt nicht zu seinem Nachteil.
    Ich gab Susie einen halben Kubikzentimeter Pituitrin. »Das wird sie jetzt brauchen, nachdem sie stundenlang gegen dieses Kerlchen angedrückt hat. Jetzt müssen wir abwarten, was passiert.«
    Und es war eine angenehme Wartezeit. Mrs. Chapman kochte eine Kanne Tee und bestrich leckere hausgemachte Scones mit Butter. Teils dank meines Pituitrin brachte Susie etwa alle Viertelstunde selbstzufrieden einen Welpen zur Welt. Die Kleinen stimmten schon bald ein für solch winzige Geschöpfe erstaunlich geräuschvolles Jaulkonzert an.
    Bert, der sich mit jeder Minute sichtbar mehr entspannte, stopfte seine Pfeife und betrachtete die rasch wachsende Familie mit zunehmend breiterem Grinsen.
    »Hm, wie nett von euch jungen Leuten, uns so Gesellschaft zu leisten.« Mrs. Chapman legte ihren Kopf zur Seite und sah uns besorgt an. »Dabei wollt ihr doch bestimmt ganz dringend zu eurem Ball zurück?«
    Ich dachte an das Gewühl im Drovers. Den Rauch, die Hitze, das andauernde Gewummer der Hot Shots, und dann sah ich mich in dem friedlichen kleinen Zimmer mit dem altmodischen Kamin um, betrachtete das niedrige polierte Gebälk, Mrs. Chapmans Nähkasten, die Reihe von Berts Pfeifen an der Wand. Ich drückte Helens Hand, die ich die ganze letzte Stunde gehalten hatte, noch fester.
    »Ganz und gar nicht, Mrs. Chapman«, erwiderte ich. »Wir verpassen gar nichts.« Und noch nie hatte ich etwas so aufrichtig gemeint.
    Es muss gegen halb drei gewesen sein, als ich zu dem Schluss kam, dass Susie ihr Werk vollendet hatte. Sie hatte sechs Welpen zur Welt gebracht, eine beachtliche Leistung für so ein kleines Ding. Der Lärm hatte sich gelegt, weil die Familie sich nun zu einem Festmahl an ihren üppigen Zitzen niedergelassen hatte.
    Ich nahm die Welpen einen nach dem anderen hoch, um sie zu untersuchen. Susie störte dies ganz und gar nicht, im Gegenteil, sie schien mit bescheidenem Stolz zu lächeln, während ich mich ihrer Brut widmete. Als ich alle ins Körbchen zurückgelegt hatte, begutachtete und beschnüffelte sie ihre Kleinen eingehend, bevor sie sich wieder auf die Seite rollte.
    »Drei Rüden und drei Hündinnen«, verkündete ich. »Ein schöner ausgeglichener Wurf.«
    Bevor wir gingen, nahm ich Susie aus dem Korb und tastete ihren Bauch ab. Die Veränderung war unglaublich; ein angepikster Luftballon hätte nicht spektakulärer schrumpfen können, und Susie hatte sich erstaunlich schnell in das schlanke extrovertierte Wesen zurückverwandelt, das ich so gut kannte. Als ich sie absetzte, eilte sie zurück und rollte sich um ihre neue Familie, die bald vollkommen

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