Meine Tiere, mein Leben
Pferd, das ich mir den ganzen Tag lang hätte anschauen können. Ich wollte gar nicht fort, obwohl ich noch andere Visiten vor mir hatte. Ich stand nur da und hörte mit halbem Ohr Mr. Kettlewell zu, der vom bevorstehenden Lammen erzählte.
»Na dann«, sagte ich schließlich, »ich muss mich auf den Weg machen.« Ich wendete mich schon zum Gehen, als ich bemerkte, dass der Farmer verstummt war.
Er blieb eine Weile still, dann sagte er: »Er zittert ein bisschen.«
Ich betrachtete das Pferd. In den Beinmuskeln war der Anflug eines Tremors zu erkennen. Er war kaum sichtbar, doch während ich zuschaute, begann er sich allmählich nach oben auszubreiten, bis die Haut am Hals, der Körper und der ganze Rumpf zu vibrieren anfingen. Es war ein ganz leichtes Zittern, doch bestand kein Zweifel daran, dass es nach und nach stärker wurde.
»Was ist das?«, sagte Mr. Kettlewell.
»Ach, nur eine kleine Reaktion. Es wird gleich vorbei sein.« Ich bemühte mich um einen lässigen Ton, aber so sicher war ich mir nicht.
Mit quälender Langsamkeit wurde aus dem Zittern ein Schütteln, das den gesamten Körper erfasste, und dieses wurde, während der Farmer und ich schweigend dastanden, immer heftiger. Mir war, als hätte ich eine ganze Weile dort gestanden und versucht, eine gelassene und unbesorgte Miene zur Schau zu stellen, doch ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Diese plötzliche, unerklärliche Veränderung – es gab keinen Grund dafür.
Mein Herz begann zu pochen, und mein Mund wurde trocken, als das Schütteln von schweren Spasmen abgelöst wurde, die den Körper des Pferdes erbeben und ihm die vor kurzem noch so klaren Augen vor Entsetzen fast aus dem Kopf quellen ließen, während ihm Schaum von den Lippen zu tropfen begann. Mein Hirn arbeitete fieberhaft. Vielleicht hätte ich diese Injektionen nicht zusammen geben dürfen, doch das konnte doch nicht diese Grauen erregende Wirkung auslösen. Unmöglich.
Während die Sekunden verstrichen, hatte ich das Gefühl, es nicht länger ertragen zu können. Das Blut hämmerte mir in den Ohren. Sicher würde er sich bald erholen – es konnte doch nicht noch schlimmer werden.
Ich irrte mich. Beinahe unmerklich begann das riesige Tier zu schwanken. Zuerst nur ein wenig, dann immer heftiger, bis es sich von einer Seite zur anderen neigte wie eine mächtige Eiche im Sturm. Heiliger Bimbam, es war nahe daran umzukippen, und das wäre dann das Ende. Und dieses Ende musste bald kommen. Die Pflastersteine erbebten unter meinen Füßen, als das große Pferd mit Getöse zu Boden ging. Ein Weilchen lag es noch dort auf der Seite, die Füße traten konvulsivisch in die Luft, dann war es still.
Das war’s. Ich hatte dieses Prachtpferd getötet. Es war unmöglich, einfach unglaublich, dass dieses Tier noch vor ein paar Minuten in all seiner Kraft und Schönheit dort gestanden hatte, bis ich mit meiner schlauen neuen Medizin gekommen war, und nun lag es da – tot.
Was sollte ich sagen? Tut mir schrecklich Leid, Mr. Kettlewell, es ist mir einfach unbegreiflich, wie das geschehen konnte. Mein Mund ging auf, doch es kam nichts heraus, nicht einmal ein Krächzen.
Und als sei ich ein Außenstehender, der ein Bild betrachtet, nahm ich das Rechteck der Hofgebäude mit den dunklen, schneegemaserten Bergen dahinter wahr, die sich unter einem tiefen Himmel erhoben, den beißenden Wind, den Bauern, mich selbst – und den reglosen Körper des Pferdes.
Ich fror bis auf die Knochen und fühlte mich hundeelend, doch ich musste irgendeine Erklärung abgeben. Ich holte tief und zitternd Luft und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als das Pferd ein wenig den Kopf hob.
Weder ich noch Mr. Kettlewell sagten etwas, als das mächtige Tier sich auf die Brust wälzte, ein paar Sekunden lang um sich schaute und dann auf die Beine kam. Es schüttelte den Kopf und ging dann zu seinem Herrn. Die Besserung stellte sich genauso schnell und genauso unglaublich ein wie der verheerende Zusammenbruch, und der krachende Sturz auf den gepflasterten Hof schien ihm nicht geschadet zu haben.
Der Bauer rechte den Arm hoch und tätschelte dem Pferd den Hals. »Schauen Sie, Mr. Herriot, die Flecken sind so gut wie fort.«
Ich ging hinüber und sah es mir an. »Tatsächlich. Sie sind kaum noch zu sehen.«
Mr. Kettlewell schüttelte verwundert den Kopf. »Also wirklich, das ist ja eine wunderbare neue Methode. Aber ich verrat Ihnen was. Ich hoffe, Sie nehmen’s mit nicht krumm, wenn ich das sage, aber« – er
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