Meine Tiere, mein Leben
niemand an Stadtplanung gedacht: hoch und niedrig, breit und schmal säumten sie, eng aneinander gepresst, die Fläche, und ihre mit Schnee beladenen Dächer hoben sich wie ungleichmäßige Zacken von dem dunklen Himmel ab.
Als ich, vom Klang der Kirchenglocken begleitet, über den knirschenden Schnee zurückging, hüllte mich das Wunder und Mysterium der Weihnacht ein. Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen: Die Worte nahmen eine bisher ungeahnte Bedeutung an, und ich sah mich plötzlich als winziges Teilchen im Plan des Lebens: Darrowby, die Bauern, die Tiere und ich erschienen mir zum ersten Mal wie eine freundliche, beglückende Einheit. Ich hatte nichts getrunken, aber mir kam es vor, als schwebte ich die Treppe zu unseren Zimmern hinauf.
Helen schlief schon, und als ich mich ins Bett legte, schwelgte ich noch immer in meiner Weihnachtseuphorie. Morgen würde es nicht viel Arbeit geben: Wir konnten lange schlafen – vielleicht bis neun – und den Tag in vollen Zügen genießen, der uns eine willkommene Atempause in unserem arbeitsreichen Leben bescherte. Beim Einschlafen meinte ich, Gesang zu hören, süß und wohlklingend wie der Methodistenchor – schlaf in himmlischer Ruh...
Aber jetzt ertönte diese andere Glocke, die nicht aufhören wollte. Wahrscheinlich der Wecker. Als ich jedoch versuchte, ihn abzustellen, läutete es weiter, und ich sah, dass es sechs Uhr war. Dann war es also das Telefon. Ich nahm den Hörer ab.
Eine metallische Stimme, energisch und hellwach, drang mir schmerzhaft ins Ohr: »Ist dort der Tierarzt?«
»Ja, hier spricht Herriot«, murmelte ich.
»Hier ist Brown, Willet Hill. Ich habe eine Kuh mit Milchfieber. Ich brauche Sie sofort.«
»Gut, ich komme.«
»Beeilen Sie sich.« Dann ein Knacken am anderen Ende.
Ich drehte mich auf den Rücken und starrte zur Decke empor. Dies war also Weihnachten. Der Tag, an dem ich mich ein bisschen von der Welt hatte zurückziehen und in Festtagsstimmung schwelgen wollen. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, so brutal in die Wirklichkeit zurückgerissen zu werden, noch dazu von diesem Kerl, der nicht ein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung vorgebracht hatte. Kein »Es tut mir Leid, Sie aus dem Bett zu holen« oder etwas Ähnliches, ganz zu schweigen von »Fröhliche Weihnachten«. Es war schon ein wenig bitter.
Mr. Brown wartete im Hof auf mich. Es war noch völlig finster. Ich war früher schon ein paar Mal hier gewesen, und als ich ihn im Licht der Scheinwerfer dastehen sah, war ich wie stets beeindruckt von seiner kraftvollen Erscheinung. Er war ein großer, breitschultriger Mann von etwa vierzig, mit hohen Backenknochen und scharfen Zügen. Unter der karierten Mütze sah rotes Haar hervor, und ein rötlich brauner Flaum bedeckte Wangen, Hals und Handrücken. Bei seinem Anblick verstärkte sich mein Gefühl der Müdigkeit nur noch.
Er sagte nicht »Guten Morgen«, sondern nickte nur kurz und deutete mit dem Kopf in Richtung des Stalls. »Da drüben« war alles, was er sagte.
Er sah schweigend zu, wie ich der Kuh die Spritzen gab, und erst als ich die leeren Flaschen in die Tasche steckte, fragte er:
»Mit dem Melken ist es wohl heute nichts?«
»Nein«, erwiderte ich. »Lassen Sie das Euter voll.«
»Irgendein besonderes Futter?«
»Nein, sie kann alles fressen, was sie will.« Mr. Brown war ein sehr gründlicher Mann und wollte es stets ganz genau wissen.
Als wir den Hof überquerten, blieb er plötzlich stehen und wandte sich mir zu. Hatte er etwa die Absicht, mich zu einer Tasse heißen Tee ins Haus zu bitten?
»Ach, noch eins«, sagte er, während ich in der eisigen Morgenluft knöcheltief im Schnee stand, »dieses Milchfieber ist in letzter Zeit ein paar Mal vorgekommen. Vielleicht mache ich was falsch. Könnte es sein, dass ich meinen Kühen zu viel abverlange?«
»Das ist sehr leicht möglich.« Ich ging eilig auf den Wagen zu, denn ich war nicht gewillt, Mr. Brown zu dieser Tageszeit einen Vortrag über Viehzucht zu halten.
Ich hatte bereits die Hand am Türgriff, als er sagte: »Ich rufe Sie an, falls die Kuh bis Mittag nicht auf den Beinen ist. Übrigens – die Rechnung, die ich letzten Monat bekommen habe, war mehr als hoch. Bestellen Sie Ihrem Chef, er soll nicht so wild mit seiner Feder umgehen.« Sprach’s und verschwand in der Dunkelheit.
Ausgesprochen reizend, dachte ich bei mir, als ich losfuhr. Kein Dankeschön oder Auf Wiedersehn, nur eine Beschwerde und die verheißungsvolle
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