Meine Tochter Amy (German Edition)

nicht der rechte Moment dafür. „Keine Sorge, so was kommt vor“, sagte ich stattdessen.
    „Ich war heute Nacht nicht im Bett“, sagte sie, „und als ich mit der Arbeit fertig war, konnte ich nicht schlafen und brauchte was zum Entspannen.“
    „Vielleicht kannst du jetzt schlafen, Schatz“, sagte ich. Ich deckte sie auf dem Sofa zu, bat den Wachmann Anthony, ein Auge auf sie zu haben, und ging. In mein Tagebuch schrieb ich: „Stehen wir wieder am Anfang, oder ist das nur ein Ausrutscher? Sie schien wegen des Trinkens heute kein schlechtes Gewissen zu haben. Wir sind so weit, dass wir an der letzten Hürde auf keinen Fall stolpern dürfen.“
    Solchen Rückschlägen zum Trotz schien sich das Muster ihrer Sucht verändert zu haben. Ihre Arbeit rückte an die erste Stelle, die Abstinenzphasen wurden länger. Natürlich gab es Rückfälle, insgesamt schien sie sich aber zusammenzureißen.
    Auch als Amy für einen Gig nach Dubai flog, teilte sie mir mit, sie sei dafür trocken geblieben. Allerdings nicht lange. Nach dem Auftritt simste Raye, es sei gar nicht gut gelaufen. Amys Ohrstöpsel waren defekt, und sie hörte sich nicht singen. Wegen weiterer technischer Pannen konnte auch ein Teil des Publikums, besonders hinten, kaum was hören, und so gingen viele Leute nach drei Songs. Zu allem Übel hatte Amy ein paar Drinks intus, als sie auf die Bühne ging. „So ein Desaster“, schrieb ich in mein Tagebuch. „Ich dachte, die Arbeit bringt sie über die Sauferei hinweg, und dann das. Technische Probleme hin oder her, sie kann nicht betrunken auf die Bühne gehen.“
    Überraschenderweise schien Amy bei ihrer Rückkehr mehr oder weniger okay, trotz der Enttäuschung und dem Rückfall. Die nächsten vier Tage blieb sie trocken. Riva besuchte sie täglich, und Amys Freundin Naomi zog bei ihr ein. Amy, Riva und Naomi verstanden sich sehr gut. Tyler meinte zu mir, Amy habe gesagt, sie habe es satt, betrunken zu sein, und wolle komplett aufhören. Als ich sie das nächste Mal traf, bekräftigte sie das. Ich wusste, dass sie es ernst meint, aber ich wusste auch, dass es weitere Rückfälle geben würde, ehe sie endgültig trocken war.
    Dennoch war ich vorsichtig optimistisch, jetzt, wo Naomi bei Amy wohnte und Riva täglich dort war. Beide berichteten am 2. März, Amy habe seit sechs Tagen keinen Tropfen angerührt. Ich selbst hatte sie auch nicht trinken gesehen, und die Mitteilung beruhigte mich.
    Tags darauf begleitete Raye Amy zu ihrer Befragung wegen eines Visums in der amerikanischen Botschaft. Danach meinte er, es sei gut gelaufen, und diesmal sei er optimistisch, dass sie das Visum bekäme.
    Als ich Amy traf, schüttete sie mir ihr Herz aus: Sie und Reg wollten sich bis auf Weiteres nicht mehr sehen, und das machte sie richtig fertig. Wir sprachen mehr als eine Stunde lang über die Beziehung. Es war zwar nicht aus zwischen den beiden, aber ich konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Reg hatte viel zu tun, er war die meiste Zeit zu Dreharbeiten in Scarborough.
    „Du solltest Folgendes tun“, riet ich ihr. „Wenn er wieder da ist, setz dich mit ihm zusammen und sag ihm genau, was du empfindest.“
    „Er weiß, dass ich ihn liebe, Papa“, unterbrach sie mich. „Ich bitte ihn immer wieder, hier einzuziehen.“
    „Was ist dann das Problem? Das ist doch toll.“ Ich freute mich für die beiden. „Er will nicht, Papa. Er möchte nicht, dass ihn die Leute für einen Schnorrer halten.“
    Im Gegensatz zu Blake, dachte ich, sagte aber nichts.
    „Aber das ist er nicht“, fuhr sie fort, „das weißt du.“
    „Das weiß ich. Wir alle mögen Reg. Er ist ein Pfundskerl. Du darfst bei ihm nicht lockerlassen, dann wird alles gut, Schatz.“
    Erfreulicher war, dass Amy nicht getrunken hatte; ich sorgte mich allerdings, sie könne wieder anfangen, jetzt, wo Reg weg war. Das tat sie nicht – zumindest nicht an dem Tag.
    Rückblickend betrachtet, war der 6. März wohl ein weiterer Wendepunkt. Riva rief mich an, Amy sei betrunken und dabei, sich selbst zu verletzen. Als ich kam, war sie nicht sehr betrunken, hatte sich aber Schnittwunden zugefügt. Sie meinte, das sei eine nachträgliche Reaktion auf Regs Abwesenheit und etwas, das mit Blake passiert war. Als ich erfuhr, sie habe sich geschnitten, wusste ich sofort, dass sein Name auftauchen würde. Er war etwa eine Woche zuvor in Leeds wegen Einbruch und Besitz einer Schusswaffe verhaftet worden. Amy war überzeugt, dass es um Drogen ging.
    Riva sprach davon,