Meine Tochter Amy (German Edition)
weitergab, erzählte er mir, sie hätten einen wunderbaren Tag im West End verbracht, seien nach dem Mittagessen herumspaziert und in eine Bar in der Kingly Street gegangen, wo die Hausband spielte. Als die Band mit ihrem zweiten Set anfangen wollte, habe Amy spontan gerufen: „Braucht ihr vielleicht eine Sängerin?“
Die Musiker luden sie ein, und sie sang eine ganze Reihe Songs mit ihnen. Das war wie in der guten alten Zeit, als es sie so glücklich machte, die Leute zu unterhalten.
Zwei Tage darauf flog ich nach L.A. Als ich im Hotel eintraf, erhielt ich einen Anruf, Amy sei wieder am Trinken. Sie hatte mehr als drei Wochen keinen Alkohol angerührt; keine Ahnung, was den Rückfall ausgelöst hatte. Mit Reg lief alles gut, sie schrieb wieder Songs, hatte die verlorenen Pfunde wieder zugelegt und sah wirklich gut aus. Ich konnte es nicht begreifen. Immerhin war es ihre bis dahin wohl längste trockene Phase gewesen, was mir etwas Hoffnung gab. Je länger die Zeit zwischen den Rückfällen, desto größer der Fortschritt. Das dachte ich zumindest.
Am 17. Mai rief Raye an: Amy war mit der Ambulanz in die London Clinic eingeliefert worden, nachdem sie die ganze Nacht getrunken hatte und nicht wach zu kriegen war. Inzwischen war sie bei Bewusstsein und ansprechbar, solle jedoch zur Beobachtung über Nacht in der Klinik bleiben. Tags darauf fuhr sie heim zum Camden Square.
Ein paar Tage später war ich zurück in London und fuhr direkt zu Amy. Sie war betrunken. Dr. Romete war da und erklärte mir, sie könne Amy nicht länger betreuen, weil nichts von dem, was sie ihr sagte, sie vom Trinken abhielt. Sie gab mir einen Brief für Amy, in dem ihre medizinischen Probleme umfassend dargestellt waren, dazu die Ereignisse der letzten paar Tage. Amy, schrieb sie, sei in unmittelbarer Lebensgefahr; am 17. Mai sei sie ins Koma gefallen und habe sich keine 24 Stunden später gegen ärztlichen Rat selbst aus der London Clinic entlassen.
Der Brief war von unverblümter Deutlichkeit und ein furchtbarer Schock. Wir wussten alle, dass Amys Leben in Gefahr war; das schwarz auf weiß zu lesen machte es viel realer und erschreckender. Ich zitterte und merkte, wie mir die Galle hochkam. Es ging mir so schlecht wie nie zuvor. Den Brief Amy zu zeigen war zwecklos, solange sie nicht nüchtern war. Am nächsten Tag war sie immer noch betrunken und meine Hoffnung auf ihre Heilung vom Alkoholismus verflogen.
Und so ging es weiter. Am 22. Mai rief mich Andrew an, Amy sei um zehn aufgestanden, habe eine halbe Flasche Wein getrunken und den Rest des Tages durchgeschlafen.
Bis 24. Mai trank Amy ununterbrochen. Riva schlug vor, wir sollten sie überzeugen, zum Entzug in die Priory-Klinik in Southgate in Nordlondon zu gehen. Ich hielt das für Zeitverschwendung, meinte jedoch, wir könnten es probieren. Den ganzen nächsten Morgen versuchten wir Amy dazu zu bringen, holten sogar Dr. Brenner von der Priory ins Haus am Camden Square. Amy war Dr. Brenner gegenüber sehr ausfallend, aber daran war er gewöhnt. Es war ein harter Kampf, und schließlich gelang es uns, sie zu überreden.
Gegen zwei Uhr brachten wir sie in die Priory, wo sie sofort wieder wegwollte. Ich blieb ein paar Stunden bei ihr, und langsam akklimatisierte sie sich und wurde ruhiger. Als sie mich bat, was von KFC zu holen, wusste ich, dass das ein gutes Zeichen war.
Amys Aufenthalt in der Priory füllte in den folgenden Tagen die Schlagzeilen. Anfangs wollte sie unbedingt wieder raus, dann entspannte sie sich langsam und willigte ein, bis Monatsende zu bleiben. Sie sah viel besser aus und erklärte mir einmal mehr, wie sehr sie sich wünschte, mit dem Trinken aufzuhören.
„Ich weiß, Papa, nur davon zu sprechen nützt nichts.“ Sie gab sich große Mühe, ihr Problem in aller Klarheit zu sehen. „Ich dachte nicht, dass es so schwer wird. Ich dachte, nachdem ich mit den Drogen aufgehört habe, kann ich alles überwinden, aber das Trinken aufzugeben ist viel, viel schwerer, als ich dachte.“
„Weißt du, Liebling, wenn andere es schaffen, schaffst du es auch“, sagte ich. „Es ist dir schon mal gelungen, also gelingt es dir auch diesmal. Du kriegst das hin.“ Ich meinte jedes Wort ernst.
Am 31. Mai verließ Amy die Priory. Sie sah fabelhaft aus und sagte zu, in ambulanter Behandlung zu bleiben. Abends sprach ich mit Andrew, und er sagte, sie habe nichts getrunken. Am nächsten Tag jedoch war sie richtig wütend auf mich, weil ich sie in die Klinik gebracht hatte.
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