Meine Trauer geht - und du bleibst
Menschen: »Ich bin traurig um deinetwillen. Meine Trauer ist ein Spiegel deines Unglücks. Und diese Trauer ist für mich richtig, weil ich sie aus Liebe zu dir lebe.«
Hören Sie immer wieder die Zusicherung Ihres geliebten Menschen, dass er sich freut, wenn Sie Ihre Trauer loslassen. Wenn Sie nicht ganz sicher sind, dann gehen Sie in den inneren Dialog mit Ihrem geliebten Mensch und fragen ihn danach.
Wenn es Ihnen trotz der Erlaubnis und Ermutigung Ihres geliebten Menschen noch schwerfällt, Ihre Trauer ziehen zu lassen, dann sagen Sie zu Ihrem geliebten Menschen: »Ich höre deine Erlaubnis und glaube ihr. Dennoch fällt es mir jetzt noch schwer, meine Trauer gehen zu lassen. Vielleicht muss ich es mir selbst noch erlauben, vielleicht gibt es noch einen anderen Grund, meine Trauer festzuhalten. Lass mir noch ein wenig Zeit.«
Wenn Sie die Erlaubnis und Ermutigung Ihres geliebten Menschen annehmen können, dann sagen Sie ihm: »Deine Erlaubnis, meine Trauer loszulassen, tut mir gut. Ich werde sie gehen lassen und schauen, ob sie von sich aus geht. Ich bin gespannt, wie sich ihr Gehen auf die Beziehung zu dir auswirkt.«
Dann gehen Sie in einen inneren Dialog mit Ihrer Trauer und sagen ihr: »Ich muss dich nicht mehr aus Mitgefühl für meinen geliebten Menschen und aus der Loyalität zu ihm festhalten. Ich kann dich gehen lassen, wenn es keine anderen gegenteiligen Gründe gibt undwenn du selbst gehen willst.« Achten Sie darauf, was in den nächsten Tagen geschieht. Vielleicht geht Ihre Trauer von sich aus, vielleicht ist es noch eine ausdrückliche Verabschiedung erforderlich, wie sie nun im Folgenden beschrieben wird.
4. Ich wünsche mir, dass meine Trauer geht – und meine Liebe zu dir leicht und frei werden darf
Trauernde: Oft denke ich, dass sich bei mir gar nichts verändert.
Trauerbegleiter: Sie meinen, dass Ihre Trauer gleich bleibt?
Trauernde: Genau!
Trauerbegleiter: Von außen bemerke ich über die Zeit hinweg durchaus Veränderungen. Vielleicht spüren Sie das im Inneren noch nicht.
Trauernde: Ja, ich fühle meine Trauer doch noch sehr.
Trauerbegleiter: Ich nehme wahr, dass Sie immer wieder lachen können und dass Ihre Kleidung heller geworden ist.
Trauernde: Stimmt – und trotzdem bin ich immer noch traurig.
Trauerbegleiter: Es stimmt wohl beides – Ihre Trauer und die Veränderung Ihrer Trauer. Und es wäre gut, wenn Sie sich auf beides einlassen: darauf, dass die Trauer noch da ist, und darauf, dass sie sich ganz langsam, in kleinsten Schritten verändert.
Trauernde: Vielleicht haben Sie Recht. Ich wage es gar nicht zu sagen, aber manchmal bin ich die Trauer einfach satt und will sie gar mehr nicht haben.
Trauerbegleiter: Ja, auch das könnte ein Zeichen sein, dass Sie sich in Ihrer Trauer verändern und auch verändern wollen.
Trauernde: Und was wird dann aus meinem Mann?
Trauerbegleiter: Sie meinen Ihre innere Beziehung zu Ihrem Mann?
Trauernde: Ja, meine Liebe zu ihm?
Trauerbegleiter: Die wird bleiben.
Ich will nicht mehr trauern – und ich will dich endlich ohne Trauer lieben
Es gibt im Trauerprozess einen wichtigen Zeitpunkt, den wir aufmerksam wahrnehmen sollten. In uns entstehen im Verlauf des Trauerprozesses ein Überdruss und ein Unwille gegen die Trauer, die sich in dem Satz ausdrücken: »Ich will nicht mehr trauern«. In diesem Überdruss liegen durchaus auch Trotz und rebellischer Widerstand gegen die Trauer. Manchmal erschrecken Trauernde über die Heftigkeit dieses Impulses.
Aber der Unwille und der ärgerliche Trotz zeigen, dass in uns nun auch die Seite wieder stärker wird, die leben will, und zwar leicht und unbeschwert. Das dürfen und können wir zulassen, wenn wir uns bewusstmachen, dass im trotzigen Unwillen ein berechtigter Wunsch liegt. Es ist der Wunsch, den Verstorbenen ohne Trauer zu lieben.
Der Trotz und der Widerstand gegen die Trauer ermöglichen es mir, meiner Trauer gegenüberzutreten und ihr auch energisch Einhalt zu gebieten. Der Trauernde entdeckt dabei zum ersten Mal, dass er auch stärker als seine Trauer sein kann, jedenfalls für kurze Zeit. Diese Erfahrung stellt einen wichtigen Wendepunkt im Trauerprozess dar. Natürlich geht es nicht um einen »Machtkampf« mit der Trauer, aber doch um das Wissen, dass ich nun zunehmend meiner Trauer Grenzen setzen kann und mich entscheiden kann, ob ich jetzt trauern will oder nicht. So wichtig die Trauer ist, so gut kann es tun, auch Zeiten ohne die Trauer zu haben und sich ganz bewusst aus der Trauer
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