Meine Trauer geht - und du bleibst
geliebten Menschen: »Ich musste dich aus meinem konkreten Leben gehen lassen, und das fällt mir heute noch schwer. Und ich habe dich in meinem Inneren wiedergewonnen.«
Sagen Sie im inneren Dialog zu ihm: »Ich lasse dich an deinen sicheren Ort gehen. Das ist schmerzlich, und doch kann ich dich dorthin gehen lassen, weil ich weiß, dass du dort da bist.«
Stellen Sie sich Ihren geliebten Menschen an seinem sicheren Ort vor. Wenn es ein konkreter Ort ist, können Sie ihn in der nächsten Zeit aufsuchen. Sagen Sie dann Ihrem geliebten Menschen: »Ich kann dich dort, an deinem sicheren Ort, lassen, weil ich weiß, dass es dir dort gut geht und wir uns immer wieder begegnen.«
2. Immer wieder spüre ich deine Abwesenheit – und darin bist du für mich präsent
Trauernde: Wenn ich in die Garage gehe und das Auto meines Mannes fehlt, dann überkommt es mich.
Trauerbegleiter: Ich möchte Sie bitten, dieses Gefühl jetzt zuzulassen. Und dann spüren Sie ihm nach.
Trauernde: Diese Leere ist sehr groß in mir, ich vermisse ihn dann so.
Trauerbegleiter: Ja, das Vermissen ist das passende Gefühl für die Abwesenheit Ihres Mannes.
Trauernde: Wird das so bleiben?
Trauerbegleiter: Ich glaube schon, und ich denke, dass das auch gut so ist.
Trauernde: Gut so? Ich weiß nicht, es tut eben doch auch sehr weh.
Trauerbegleiter: Das Missen ist für mich ein Teil unserer Sehnsucht nach dem Verstorbenen.
Trauernde: Ja, meine Sehnsucht ist sehr groß.
Trauerbegleiter: Das Sehnen lässt Sie ihren Mann immer wieder suchen.
Trauernde: Das stimmt.
Trauerbegleiter: Und Ihre Seele wird ihn dann immer wieder finden.
Ich bleibe offen für deine Abwesenheit – sie lässt mich nach dir suchen
Wenn der geliebte Mensch aus meiner Welt geht, dann klafft hier eine Lücke. Diese Lücke ist zunächst im Äußeren sehr deutlich. Der Platz des geliebten Menschen bleibt leer, er kommt nicht mehr zur Türe herein und ich bleibe allein. Aber auch im Inneren scheint der geliebte Mensch mir aus meinem Herzen gerissen.Diese Wunde schmerzt unendlich und hinterlässt eine Leerstelle. Diese bleibt auch zu einem gewissen Teil bestehen, weil sie nun nicht mehr durch real erlebbare Begegnungen und Erfahrungen mit dem geliebten Menschen gefüllt wird.
Wenn vorher die Beziehung durch die Gegenwart des geliebten Menschen geprägt und gesichert wurde, so ist sie jetzt durch die Abwesenheit gekennzeichnet. Anfangs verunsichert mich die Abwesenheit zutiefst. Anfangs sind der unendliche Schmerz und das rasende Gefühl des Vermissens die angemessene und richtige Reaktion auf die Abwesenheit. Allmählich verwandeln sich diese schmerzenden Gefühle in ein Gefühl des Missens. Dieses Gefühl sagt mir: »Du fehlst mir. Du bist nicht hier.« Die Abwesenheit bleibt immer zu spüren, auch wenn ich mir sicher bin, dass der geliebte Mensch an seinem sicheren Ort geborgen ist. Das Missen ist das bleibende Gefühl für die Leerstelle, die der Verstorbene in meinem Leben hinterlässt und immer hinterlassen wird. Wir sollten die Leerstelle und das Missen nicht mit anderem ausfüllen. Der geliebte Mensch ist durch nichts zu ersetzen. Wir bewahren seine Bedeutung und Würde gerade dadurch, dass wir seine Leerstelle bewusst offen halten. Wir können dafür auch Symbole finden und sie als Stellvertreter für die Leerstelle erhalten. In einer Familie bleibt der Kleiderhaken, an dem der verstorbene Sohn seine Kleider aufhängte, leer.
In der Familie Bonhoeffer wurde an Weihnachten des verstorbenen Neffen von Dietrich Bonhoeffer auf eine besondere Weise gedacht. Mit einem wunderschönen Ritual wurde die Leerstelle, die der verstorbene Neffe hinterlassen hatte, lebendig gehalten. An Weihnachten wurde aus dem Weihnachtsbaum ein Zweig herausgeschnitten. Der Zweig wurde dann an Heiligabend auf das Grab des verstorbenen Neffen gebracht. Am Weihnachtsbaum klafft eine Lücke. Die Leerstelle, die das verstorbene Kind hinterlassen hat, wird so sichtbar. So wie dieser Zweig am Baum fehlt, so fehlt der Verstorbene jetzt der Familie. Mit der Leerstelle wird sein Fehlen deutlich und zugleich ist der Verstorbene gerade dadurch präsent. Die Leerstelle und das Missen verweisen auf den geliebten Menschen und rufen ihn jetzt in den Hinterbliebenen wach.
Die Liebe sehnt sich nach dir – und findet dich immer wieder
Das andere Gefühl, das uns immer wieder zum Verstorbenen führt, ist die Sehnsucht. Die Sehnsucht ist ein zentraler Aspekt der Liebe, wenn der geliebte Mensch abwesend und nicht
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