Meine Trauer geht - und du bleibst
Tod Ihres geliebten Menschen. Sagen Sie ihm: »Du bist für micheinzigartig und unendlich wertvoll. Es gibt nichts, was dein Sterben auch nur im entferntesten aufwiegen könnte.«
Wenn Sie nach einem Sinn im Sterben Ihres geliebten Menschen suchen, dann sagen Sie sich: »Ich darf nach einem Sinn fragen, aber ich muss ihn nicht finden. Wenn es einen Sinn gibt, dann wird er mir als Geschenk zuteilwerden.«
Wenn Sie keinen Sinn im Sterben Ihres geliebten Menschen finden, dann sagen Sie Ihrem geliebten Menschen: »Dein Tod bleibt für mich sinnlos. Nichts, auch kein wie immer gearteter Sinn, kann deinen Tod aufwiegen. Ich will diese Sinnlosigkeit aushalten und ihr meine Liebe zu dir entgegenhalten. Das ist jetzt meine Aufgabe und mein jetziger Lebenssinn.«
6. Du bleibst meine große Liebe – was immer auch geschehen mag
Trauernde: Mein Bruder, der vor zwanzig Jahren gestorben ist, geht mir immer mehr verloren.
Trauerbegleiter: Das ist schlimm für Sie?
Trauernde nickt. Tränen treten in ihre Augen.
Trauerbegleiter: Das heißt, dass Sie Ihrem Bruder wieder näher sein wollen?
Trauernde: Eigentlich ja, aber manchmal frage ich mich, ob das nach zwanzig Jahren noch normal ist.
Trauerbegleiter: Würde Sie eine nahe Beziehung zu Ihrem Bruder in Ihrem jetzigen Leben behindern oder würde sie etwas blockieren?
Trauernde: Nein, im Gegenteil.
Trauerbegleiter: Was spricht also dagegen?
Trauernde lächelt: Nichts.
Trauerbegleiter: Haben Sie eine Idee, was passiert ist, dass Ihr Bruder so weit weg ist?
Trauernde: Ich habe keine Zeit für ihn. Ich arbeite so viel.
Trauerbegleiter: Ja, wie in jeder anderen Liebesbeziehung gehen dann die Nähe und die emotionale Ebene verloren.
Trauernde: Das wollte ich nicht, und trotzdem ist es passiert.
Trauerbegleiter: Ja, das kann ganz ungewollt und auch unbewusst geschehen. Haben Sie Ideen, was Sie für die Beziehung zu Ihrem Bruder tun oder wieder tun könnten?
Und wenn meine Beziehung zu dir doch verblasst?
Wie in dem vorangegangenen Trauerdialog deutlich wird, kann über sehr lange Zeit die innere Beziehung in Gefahr geraten, zu verblassen oder sich zu verlieren. Das ist zunächst auch ein positives Zeichen dafür, dass die Hinterbliebene sich ganz ihrem Leben zugewandt hat und hierfür die bewusste Aufmerksamkeitbraucht. Die Hinterbliebene kann und darf deshalb auch dankbar sein.
Das Verblassen der inneren Beziehung kann aber auch ein Alarmzeichen dafür sein, dass die Beziehung zum Verstorbenen zu sehr in den Hintergrund getreten ist. Hinterbliebene entdecken dann mit Erschrecken, dass sie sich innerlich sehr weit vom geliebten Menschen entfernt haben. Dieses Erschrecken gilt es als Alarmzeichen zu nutzen. Der Hinterbliebene wird sich fragen, ob diese Entfernung für ihn und den Verstorbenen in Ordnung ist oder ob er seine Beziehung zum geliebten Mensch wieder bewusster leben will. Wenn die Entscheidung für eine erneute Vertiefung fällt, dann kann der Hinterbliebene sich an seine Trauerzeit erinnern und sich fragen, was er damals aus seiner Trauer heraus für den Verstorbenen und für die Beziehung zu ihm getan hat. Dies ist nicht nur der einfachste, sondern auch der richtige Weg, wieder eine intensivere Beziehung zum Verstorbenen zu finden, haben doch die Trauer und die Liebe in der Trauer damals genau das für den Trauernden und den geliebten Menschen Stimmige getan, um eine innere Beziehung zueinander zu finden.
Meine Liebesbeziehung zu dir wird selbstverständlich und verlässlich
Wie in jeder anderen Liebesbeziehung gibt es auch in der Beziehung zum Verstorbenen eine Selbstverständlichkeit, die Ausdruck einer sehr sicheren Bindung zum geliebten Menschen ist. Man muss sich die Liebe und die Verbindung nicht ständig neu gegenseitig zusichern. Sie ist einfach da, so wie die Luft für uns einfach und selbstverständlich da ist und nur bei einer Atemnot bewusst wird. Die eigene Sicherheit, aus der heraus ich weiß, dass mein geliebter Mensch im Hintergrund meines Lebens und in der Tiefe meines Unbewussten da ist, macht meine Beziehung zu ihm so selbstverständlich, manchmal so alltäglich, dass ich sie zu vergessen scheine. Ich kann die Selbstverständlichkeit als Zeichen für die Verlässlichkeit und Stärke der inneren Beziehung zum Verstorbenen nehmen. Dennoch ist es nötig, die Selbstverständlichkeit immer wieder zu durchdringen und die unmittelbare Nähezum geliebten Menschen zu spüren. Es genügen Augenblicke, um sich auf die Beziehung zum geliebten Menschen zu
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