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Meine Trauer geht - und du bleibst

Titel: Meine Trauer geht - und du bleibst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Kachler
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diese Fülle. Das ist mit dem uralten Begriff des Segnens gemeint.
    Trauernde: Ich kann mit diesem Wort nicht so viel anfangen. Sie meinen, mein Mann segnet mich?
    Trauerbegleiterin: Vielleicht – das Schöne, das Sie wieder erleben, ist doch so etwas wie ein reicher Segen.
    Trauernde: Wenn Sie es so sehen, dann könnte es stimmen.
    Trauerbegleiterin lächelt: Was hindert Sie, es so zu sehen?
    Trauernde: Nichts. Es ist schön, es so zu sehen.
    Trauerbegleiterin: In der Fülle zu leben, so wie es Ihr Mann Ihnen wünscht.
    Trauernde: Ja, ich glaube auch, das hat damit zu tun, dass ich jetzt für zwei lebe, für mich und für meinen Mann.
Du schaust freundlich auf mich – so begleitest du mich in mein Leben
    Für Kinder ist es eine hilfreiche und tröstliche Vorstellung, dass ihnen der Verstorbene freundlich aus dem Himmel zuschaut. Der liebevolle Blick begleitet das Kind in seinem Leben wohlwollend, so dass es sich unterstützt fühlt und sich deshalb wieder ganz dem Leben zuwenden kann. Leider wurde dieser wunderbare Gedanke immer wieder zu Erziehungszwecken missbraucht und dieVerstorbenen als drohende Strafinstanz eingesetzt. Manchmal erleben Kinder den Verstorbenen wie beispielsweise den Großvater als Bedrohung, weil dieser zu Lebzeiten sehr strafend oder abwertend war. Dann brauchen Kinder die Erklärung, dass sich die dunklen Seiten eines Menschen durch den Tod verwandeln.
    Wenn wir im Verlaufe des Trauerweges eine innere, gut geklärte Beziehung zu unserem geliebten Menschen gefunden haben, dann stellt sich das Wissen ein, dass der Verstorbene uns freundlich und wohlwollend begleitet. Wir spüren dann, dass sich unser geliebter Mensch freut, dass wir noch leben, auch wenn er selbst nicht mehr leben darf. Auf unserem verbleibenden Lebensweg liegt das helle Licht der Freundlichkeit des geliebten Menschen. Mit seiner Freundlichkeit und seinem Wohlwollen können wir unser Leben wieder ganz und gar leben. Das Leben darf auch wieder heiter und leicht werden, weil sich darin die Freundlichkeit unseres geliebten Menschen spiegelt. Und umgekehrt können wir uns vorstellen, dass unsere Heiterkeit ein heiteres Lächeln auf dem Gesicht unseres geliebten Menschen hervorbringt.
Du gibst mir deinen Segen – und ich habe deinen Segen
    Auch wenn heute das Ritual des Segnens außerhalb der Kirchen nur noch selten gebraucht wird, liegt in ihm doch eine uralte Weisheit. Wenn ich einen lieben Menschen segne, gebe ich ihm meine Zustimmung, dass er sein Leben nun eigenständig leben kann. Das kommt in dem oft gebrauchten Satz »Er (oder sie) hat meinen Segen« zum Ausdruck. Ich sage dem Gesegneten damit: Du darfst deinen Weg gehen – gehe ihn jetzt, gehe los und werde glücklich dabei. Du kannst frei gehen und ganz frei entscheiden. Tue, was dir entspricht. Du hast meine Zustimmung. Darüber hinaus hast du meine ausdrückliche Unterstützung und meine Begleitung. Menschen, die aus ihrem christlichen Glauben heraus den Segen sprechen, vermitteln mit ihm auch den Segen Gottes. Dabei stellen sie den Gesegneten unter den Schutz und die Fürsorge Gottes.
    Auch wenn der Verstorbene zu seinen Lebzeiten oder in seinem Sterbens- und Abschiedsprozess den Segen nicht ausdrücklich den Zurückbleibenden zugesprochen hat, so können wir dochdavon ausgehen, dass Menschen, die aus diesem Leben gehen, ihren Segen zurücklassen. Wir können auch den geliebten Menschen in einem inneren Dialog fragen, ob er uns seinen Segen für unser Leben geben will. Aus meiner Erfahrung werden Hinterbliebene immer diesen Segen – also die tiefe Zustimmung und den unbedingten Wunsch, dass es dem Hinterbliebenen in Fülle gut gehen möge – bekommen.
    Wenn wir als Hinterbliebene im Segen des geliebten Menschen die tiefe Zustimmung zum Leben erhalten, kann daraus auch unsere Zustimmung zum Schicksal und zum Weg des Verstorbenen erwachsen.
Mit deinem Segen kann ich mein Leben wieder leben – ganz und erfüllt
    Der Segen ist der Zuspruch und der Wunsch, dass der Gesegnete an Leben und Lebendigkeit reich und erfüllt werde. Das ist für Hinterbliebene besonders wichtig, weil sie sich vielleicht auch am Ende des Trauerweges nicht erlauben, wieder in der Fülle und im Erfülltsein zu leben. Aus der Sicht der Verstorbenen aber gibt es nicht nur die Erlaubnis , sondern auch den Wunsch , dass die Hinterbliebenen in Fülle leben mögen. Dieser Wunsch hat einen ganz einfachen Grund: Ein schlimmes Schicksal, ein Tod reicht. Der Hinterbliebene muss nicht auch noch seinen

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