Meine Trauer geht - und du bleibst
psychischen Tod hinzufügen, er braucht nicht auch noch sein eigenes Leben zu opfern. Wenn schon der Verstorbene gehen musste, dann soll der Hinterbliebene bleiben – und zwar in Fülle. Am Ende des Trauerweges dürfen die Hinterbliebenen diese Fülle nehmen. Auch wenn Fülle den geliebten Menschen nie ersetzen wird, so lindert oder heilt sie die Wunden, die der Verlust in der Seele des Trauernden aufgerissen hat. Die Fülle nach dem Tod des geliebten Menschen ist von besonderer Tiefe und Intensität. Sie ist eine Fülle, die die extreme Leere des Verlustes kennt und diese Leere nie vergisst.
Spüren Sie immer wieder den freundlichen Blick Ihres geliebten Menschen. Nehmen Sie ihn in sich auf und achten Sie darauf, wie dann ein Lächeln in Ihrem Gesicht aufleuchtet.
Bitten Sie Ihren geliebten Menschen um die Zustimmung dafür, dass Sie wieder aufrecht, frei und offen ins Leben gehen dürfen. Hören Sie immer wieder den Klang der Stimme Ihres geliebten Menschen, wie er Ihnen sagt: »Du hast meinen Segen. Lebe erfüllt dein Leben.«
Nehmen Sie die Fülle, die Ihnen immer wieder auch überraschenderweise geschenkt wird, wahr. Setzen Sie sie ganz bewusst gegen die Leere, die die Abwesenheit Ihres geliebten Menschen in Ihnen hinterlassen hat. Spüren Sie, wie die Fülle die Wunde des Verlustes heilt, auch wenn keine noch so große Fülle Ihren geliebten Menschen je ersetzen wird.
2. Ich darf das Glück wieder nehmen – und du begegnest mir in meinem Glück
Trauernde: Wenn ich im Garten arbeite, bin ich manchmal sogar richtig glücklich.
Trauerbegleiter: Ist das nicht einfach nur schön?
Trauernde: Ja, dann vergesse ich mich, aber dann erschrecke ich, weil ich in diesem Moment auch meine verstorbene Tochter vergesse.
Trauerbegleiter: Das ist ganz normal: Im Glück vergessen wir scheinbar alles. Und doch werden Sie Ihre Tochter dann wiederfinden.
Trauernde: Natürlich. Und dann erzähle ich ihr von meinem Glück.
Trauerbegleiterin: Das ist die eine gute Möglichkeit, Ihr Glück mit Ihrer Tochter zu teilen.
Trauernde: Und die andere?
Trauerbegleiterin: Die wäre, so tief ins Glück zu tauchen, bis sich gerade im Glück die Tür zu Ihrer Tochter öffnet. Dann könnten Sie im Glück Ihrer Tochter begegnen.
Trauernde: Das will ich probieren. Was muss ich da beachten?
Trauerbegleiterin: Sie lassen sich in Ihr Glück fallen, tiefer und tiefer, dann kommt Ihnen Ihre Tochter entgegen.
Ich darf wieder glücklich sein – und ich bin es auch für dich
In den Momenten des Glücks vergessen wir uns und alles, was um uns herum ist. Die Selbstvergessenheit gehört zum Glück. In solchen Momenten vergessen wir auch den geliebten Menschen. Das kann uns im Glück erschrecken, weil wir befürchten, den geliebten Menschen gerade im Glück zu verraten. Doch wie der Fülle des Segens so stimmt der Verstorbene auch den erfüllten Augenblicken unseres Glücks zu. Der Verstorbene geht uns auch inMomenten des Glücks nicht verloren, weil er ein Teil von uns bleibt. Wie wir selbst so geht er als Teil von uns ganz in unserem Glück auf. In unserem Glück schwingt er in uns mit, tanzt mit uns in unserer Freude, pocht er in unserem erregten Pulsschlag mit. So ist unser Glück immer auch das Glück des geliebten Menschen, der bewusst oder unbewusst zu uns gehört. So darf ich ganz für mich glücklich sein, weil ich immer auch für ihn glücklich bin. Ich kann mir das nach den Momenten des Glücks bewusstmachen und es im inneren Dialog mit dem geliebten Menschen besprechen, ich kann es ihm erzählen oder ihm glücklich zulächeln.
Ich lebe mein Glück ganz und gar – und doch ist es ein anderes Glück geworden
Wir erleben das Glück in unterschiedlichen Gestalten. Es kann das leichte, freudige Glück beim Tanzen, beim Lachen oder Spielen sein. Es kann aber auch das stille, in sich gekehrte Glück beim Betrachten einer Blume oder einer vor mir liegenden Landschaft sein. Es kann die tiefe Beglückung in einer intensiven Begegnung oder in der Liebe sein.
Weil dieses letztere Glück mit dem geliebten Menschen nicht mehr konkret erlebt werden kann, verändert sich das Erleben des Glücks. Auch wenn wir uns mit ausdrücklicher Zustimmung des geliebten Menschen das Glück wieder erlauben, so ist es doch ein verändertes Glück. Wir wissen, dass jedes Glück, insbesondere das leichte, heitere Glück, begrenzt ist, weil wir das Unglück kennen. Was im Moment noch Glück war, kann mit einer schlimmen Diagnose, dem Zusammenbruch des geliebten
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