Meine Väter
dieser mit rauchenden Schloten geschmückten Stadt begegnete, erweckten kaum das Verlangen nach Fortsetzung der Besuche. Tiefste, langweilige, hinterwäldlerische Provinz und mangelnde intellektuelle Herausforderung.
Das knappe Gehalt reichte gerade für den Lebensunter
halt, Nebeneinkünfte durch Privatunterricht boten sich nicht an, und als Martha ihr zweites Kind zur Welt brachte, wieder einen Sohn, Rudolf, geriet die Familie in Not. Sie konnten ihre Bedrängnis nach auÃen gerade noch verbergen, indem sie Schulden bei einem »Beamtenverein« machten, der hohe Zinsen verlangte. Ehe das erste Darlehen abgezahlt war, muÃte schon ein zweites aufgenommen werden.
Sie stellt sich sein armseliges Leben vor. Probleme mit der Miete, der Ernährung seiner Familie, müde Auseinandersetzungen mit Martha, in denen es um Pfennige ging. Die Bittgänge müssen schwer für diesen stolzen Mann gewesen sein .
Er bereitete in aller Stille seine Karriere vor.
Dabei half ihm sein Bruder Josef, mit dem er seit seiner Kindheit eng verbunden war. Josef war es auch gewesen, der ihn mit einem Zeitungsartikel auf das dramatische Geschehen um eine schlesische Bergarbeiterfamilie hingewiesen hatte. Ernst von Wolzogen, dem Josef Familie Wawroch geschickt hatte, setzte sich für die Aufführung des Stückes ein, schlug eine Ãnderung des vierten Aktes vor und reichte es dann weiter an ein Lesekomitee, dem Max Halbe angehörte. Er vermittelte den Kontakt zu dem Verleger Albert Langen und regte Ferdinand zu einem Besuch in München an.
Bislang war die gesamte Korrespondenz zu seinem Bühnenstück über Josef gelaufen, denn Ferdinand wollte nicht, daà jemand davon erfuhr. Sein MiÃtrauen erstreckte sich auch auf Martha, der er seine Bemühungen verschwieg. Nur ein versehentliches Wort, und sie gefährdete alles! Sie ging das ohnedies nichts an. Er blieb beharrlich bei seiner geheimen Schreibexistenz, und die wenigen, die das Stück zu lesen bekamen, wurden zu Stillschweigen verpflichtet.
Es war ihm bewuÃt, wie durchsichtig die mörderische Vater-Sohn-Beziehung in seinem Stück war.
Der tiefe Haà auf den trunksüchtigen Vater, der im Ausruf des Sohnes gipfelt: Es gibt viel zuviel Vieh auf dieser Welt.
Wie würde sein Vater auf sein Stück reagieren, in dem der Vater so realistisch dargestellt und der Vatermord mit der Sehnsucht nach Selbstgründung gleichgesetzt wurde, dem neuen Menschen?
Das Leben im Kunstbau. So fuhr er offiziell nach Wien, den Abstecher nach München verschwieg er.
Hat Martha ihn durchschaut? Meine Phantasie läÃt das zu.
Er bereitete die Sache Schritt für Schritt vor, wie es seine Art ist.
Er hatte nicht vor, sich zu blamieren.
In Wien angekommen, setzte sich Ferdinand in den Zug nach München. Dort nahm ihn von Wolzogen unter seine Fittiche, machte ihn mit Kollegen bekannt und führte ihn zu Albert Langen, der sich bereiterklärte, das Werk zu drucken. Den erforderlichen Vorschuà lieh Ferdinand von Arnold Penther. Daà er sich Geld borgte, zeigt, wie groà seine Hoffnung auf ein besseres Leben war.
Guter Dinge, als hätte er bereits den Verlagsvertrag in der Tasche, kehrte er zu Martha zurück, ohne ein Wort über seine München-Reise zu verlieren.
Bald darauf durfte auch Martha endlich über das gedruckte Bühnenstück staunen. Wie hatte er das nur geschafft? Sie bewunderte das Bild, das den Einband zierte: Constantin Meuniers Hammerschwinger , ein kämpferischer Proletarier.
Gedruckt noch vor der Aufführung, mit einer Einführung von Wolzogens, der das Stück noch über Gerhart
Hauptmann stellte, modern ausgestattet von einem Verlag, der nicht zuletzt durch die ErschlieÃung der nordischen Literatur rasch an Bedeutung gewann und der ab 1896 die satirische Wochenschrift Simplicissimus publizierte.
Er überbrachte ein Exemplar dem ehemaligen Sekretär des Burgtheaters, Alfred Freiherr von Berger, der kurz darauf einen grandiosen Artikel im Neuen Wiener Tagblatt über das Stück schrieb, der Name des Autors allerdings sei ihm entfallen. Ferdinand hatte sein Pseudonym nicht gelüftet und gebeten, Verständnis dafür zu haben.
Das Buch erregte Aufsehen in Kritikerkreisen. Ein fortschrittlicher Autor, der auf Seiten der Arbeiter war und das System kritisierte! Ferdinand erhielt ein Schreiben des Direktors des Deutschen Volkstheaters in Wien sowie des Berliner Lessing-Theaters,
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