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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Beispiel war sein Freund Karl Schönherr, der mit seinem Hochgebirgs-Stück Erde gut ankam, und Hermann Bahr forderte in dem Artikel Der Mann von übermorgen endlich einen »galizischen Roman«, der »die höchste Cultur im tiefsten Elend« beschreibe: »ritterlich verlumpte Typen eleganter Bettler, Pariser unter Asiaten vermischt, exquisite Abenteurer, mit der alten Trauer der Nation drapiert«.
    Arnold wurde krank, litt ein Jahr unter einem quälenden Keuchhusten und weinte viel. Er »keuchte nach der Mutter«, schrieb Arnolt Bronnen später im Protokoll , und wenn sie kam, waren »ihre wunderbaren Augen« »wie ein milder Strom«, »ihr steifes Taft-Kleid knisterte. Da begriff ich, daß alles wie immer war, wurde ruhig und selig.« Arnold war noch immer zart und schmächtig, aber er war trotzig und ließ sich nicht viel sagen. Er war kein glückliches Kind und richtete schon früh seine ganzen Kräfte gegen den Vater.
    Hier stößt sie bei Vater und Sohn auf eine Parallele. Beider Kindheit wurde als unbehaust empfunden, beide fühlten sich sozial nicht anerkannt, beide vom Vater unterjocht, beide flohen die Nähe ihrer Väter.
    Wartete Ferdinand, der mit einem Wickelkind nichts anfangen konnte, nur darauf, daß aus dem Kind ein Schüler würde, den er erziehen konnte? Verzichtete er auf Zuwendung zugunsten von Pflicht und Ordnung?
    Arnold sollte es einmal besser haben. Er konnte promovieren, einen soliden Beruf wählen. Es war der dringliche Wunsch Ferdinands, sein Sohn solle Jurist werden, gar in den Staatsdienst treten.
    Arnold wird sich dem widersetzen. Die Situation zwischen den beiden wird geradezu dramatisch werden.
    Zwei ungeheure Kräfte werden sich messen. Ein kampfeslüsterner Sohn, ein kampferprobter Vater. Ein Sohn, der sich nach Liebe sehnt. Der den Vater braucht. Und ein Vater, dessen ganzes Leben sich um sein Judentum dreht.
    Das Potential für gescheiterte Liebesbeziehungen? Für zornige Vatermörder?
    Die strenge Trennung der Jägerndorfer Gesellschaft zeigte sich schon bei seinem ersten Wirtshausbesuch. An einem Tisch saßen die Fabrikanten, die Oberschicht, an einem anderen die Realschulprofessoren und die Beamten der Liechtensteinischen Forst- und Domänendirektion, an einem dritten die Gerichtsbeamten, an einem weiteren die Volksschullehrer, die kleineren Gewerbetreibenden und Kaufleute. Eine gewisse Vermischung brachten nur die Angehörigen der freien Berufe, die Ärzte und Advokaten, die sich bald da, bald dort hinzugesellten. Etwas abseits die »Regierenden«, die politischen Beamten der Bezirkshauptmannschaft, die eine »Respektdistanz zur Bürgerschaft« legten und immer nur aus ehrfürchtiger Ferne beobachtet werden konnten: »Getrennte Welten, zwischen denen es, wie es schien, unüberbrückbare Gegensätze gab.« So war »jeder an den ihm gebührenden Platz gesetzt, den er, ohne Aufsehen zu erregen, nicht so
leicht vertauschen konnte«, und Ferdinand blieb nichts anderes übrig, als sich zu den Realschulprofessoren zu gesellen. Gruppierungen, die Ferdinand für sein Bühnenstück Familie Wawroch nutzte.
    Streng war auch die Abgrenzung nach unten: Die Arbeiter hatten ihre eigenen Gaststätten, in denen kein Bürger verkehrte. Die Bürgerlichen waren liberal oder national, auch christlich-sozial, die Arbeiterschaft stand geschlossen auf Seiten der Sozialdemokratie.
    Die mitgliederstarke Judengemeinde trat in dieser katholischen Tuchmacherstadt kaum in Erscheinung. Die Kaufleute und die Banker, »stark jüdisch durchsetzt«, »blieben meist unter sich, was ihnen nur zum Vorteil gedieh«. Doch war die ursprünglich »reindeutsche« Bevölkerung, wie Ferdinand feststellte, von »tschechischen Elementen« durchwachsen. Schon hatten manche Stadtteile einen überwiegend »tschechischen Charakter«, was auf planmäßige Besiedlung durch tschechische Eisenbahner zurückzuführen war. Nun fielen, auch angesichts nationaler Empfindlichkeiten in den Gaststätten, Ferdinand die vorsichtigen Andeutungen des Ministers wieder ein.
    Er beherrschte längst die tschechische Sprache, verbarg dies aber.
    Ein ziemlich ödes Leben, mit einem Schuldienst, der ihn stark in Anspruch nahm, und Antrittsbesuchen bei verheirateten Kollegen und Honoratioren der Stadt, die routinemäßig erwidert wurden, und die familiäre Enge, der er in

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