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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Generationen, zwei Welten. Der eine Monarchist und damit in einer Gesellschaftsordnung befangen, die der Sohn niederreißen und revolutionär umgestalten will. Beide ehrgeizig, selbstverliebt, cholerisch, verkrampft, bitter und ungerecht. Beide lehnen von Kindheit an ihr Judentum ab. Beide stolz, unfähig, Irrtümer einzusehen und einen Schritt auf den anderen zuzugehen. Ferdinand, der Konservative, Arnold der Revolutionär.
    Wie mag Ferdinand die immer massiver werdende Auflehnung seines Sohnes ertragen haben, aufbrausend und unnachgiebig wie er war? Und Martha, erduldend, schweigend, immer mittendrin.
    Gleich zu Anfang des Protokolls beschreibt Bronnen, was die Ursache seines Vaterhasses gewesen sei. Der Briefträger hatte Martha die Nachricht vom Tod ihres Vaters gebracht. Weinend habe sie im Zimmer gesessen, von Arnold ängstlich beobachtet. Sie schickte ihn aus dem Zimmer, er ließ sich nicht abweisen. »Ich war traurig, aber ich wollte es nicht zeigen, wollte nicht weinen.« Als Ferdinand todmüde und hungrig nach einem Tag Schule, Konferenzen, Lektionen und einem langen Fußmarsch erschöpft nach Hause kam und nichts zu essen vorfand, rastete er aus, tobte, erhob die Fäuste. Der fünfjährige Arnold sprang vor, um die Mutter zu schützen, und wurde »fürchterlich verdroschen«: »Ich habe diese Schläge nie verwunden; nicht, weil es Schläge waren, sondern weil es Unrecht war, das erst meiner Mutter, dann mir angetan worden war.«
    Damit setzt ihr Vater einen beinahe automatischen Mechanismus in Gang, der, wie er es darstellt, durch nichts mehr aufzuhalten war. Als sei der Vatermord die Bestimmung seines Lebens, der Impuls seines Schreibens.
    Doch war das wirklich die Ursache für seinen Haß? Oder eine geschickte Fiktionalisierung, um Kontinuität in sein Leben hineinzukriegen, Dauerhaftigkeit wenigstens im Vaterhaß?
    Aber warum?
    Sie glaubt ihm die Geschichte nicht.
    Unmittelbar nach der Schilderung von Bronnens erstem Protest gegen den gewalttätigen Vater geht er zur Beschreibung der ersten erotischen Erfahrung über. Als sein Bru
der erkrankte, mußte er bei der Mutter schlafen; er lauschte einem Gespräch der Eltern über den »Kampf des kleinen, tapferen Buren-Volkes« – der Buren-Krieg fand von 1899 bis 1902 statt – und identifizierte sich überstark mit dem kleinen Volk. Die Schilderungen von der Gewalt, die dem Volk angetan wurde, erregten ihn, er »bebte am ganzen Körper«; es kam zum »ersten sexuellen Affekt«.
    Zieht sie einen voreiligen Schluß, wenn sie diesen Zusammenhang bemerkenswert findet? Bronnen deutet hier schon am Anfang des Buches einen weiteren Strang an, der sich durch sein Protokoll zieht, den des erotischen Lebemannes.
    Sie schließt daraus, daß seine Sexualität wohl einem Masochismus entsprang. Gewalt und Konkurrenz sind häufig die Auslöser für sein sexuelles Verlangen. Und der Vater weckt durch sein autoritäres Verhalten im Jungen Gefühle, die ihn auf seine Schwäche hinweisen.
    Das erhärtet ihre These, daß hinter seiner Aggression eine gescheiterte Liebe zum Vater steckt. Einem Vater, der »zeitlebens« unfähig war, wie Ferdinand selber schreibt, jemanden um etwas zu bitten, der Menschen »viel lieber an sich herankommen« ließ, als sich »um sie zu bemühen«, und der »Kränkungen seines Stolzes« niemals ertragen konnte.
    Ihr Eindruck, beide sehnten sich nach Liebe, ist wohl nicht falsch, denn als hätten sie sich verabredet, handelten sie stets dem zuwider. Bronnen verweigerte seinem Vater den Titel »Vater« und nannte ihn im Protokoll beharrlich den »Professor«.
    Wird sich ihre Theorie bestätigen?
    Martha tat nichts, um die Kluft zwischen Vater und Sohn zu verringern, im Gegenteil, sie schürte noch den Konflikt und verbündete sich mit Arnold gegen Ferdinand.
Sie nahm es, liest man das Protokoll , wohl früh hin, daß der Sohn die Mutter als seinesgleichen, den Vater jedoch als aus der Art geschlagen begreift.
    Arnolds Heimlichtuerei nahm zu. Er wollte seinen Vater nicht wissen lassen, wofür er abends im von Siegfried Bernfeld geleiteten Arbeitskreis des Anfangs Material sammelte. Dort, in der kleinen Gasse »Stoß im Himmel«, traf er auf die intellektuelle Jugend Wiens. Die Abende inspirierten ihn zu seinem ersten Bühnenstück.
    Ein ungewöhnlich schöner, jüdischer, junger

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