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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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rennen, können Sie damit machen, was Sie wollen, solang aber die Stimme meines Vaters mich verfolgt, solang ist oben angedeutetes (sein Theaterstück) mein einziges Hilfsmittel.«
    Sein werbendes Vertrauen wandte sich verstärkt Siegfried Bernfeld zu. Im Brief an Bernfeld äußert er seine Angst vor der Aufführung seines ersten Bühnenstücks:
»Und wie soll ich mit Leuten zusammenwohnen, die mich so vor denen ich so nackt bin.« (sic)
    Zu Hause ist er »nackt«, fühlt sich durchschaut. Die wirr-expressionistische Sprache in seinen Briefen befremdet sie.
    Â»Es muß neu angefangen werden. Eine große Abrechnung muß gehalten werden. Das Alter muß aus der Jugend hinausgeworfen werden.«
    Mit dem Monolog des aufsässigen Schülers hat er schon mit achtzehn Jahren die Existenz des Vaters in Frage gestellt:
    Â 
    Â»Mitschüler!
    Ich verurteile!
    Anzuklagen brauchen wir nicht. Wir selbst sind die Anklage. Wir sind eine furchtbare Anklage gegen die Unterdrücker der Jugend.
    Wir haben lange genug angeklagt.
    Jetzt ist es Zeit, zu verurteilen.
    Wir müssen eine große Abrechnung halten.
    An den Kragen müssen wir ihnen.
    Wir müssen das Alter aus der Jugend hinauswerfen!
    Es muß nun angefangen werden.
    Kein Mittel darf uns zu schlecht sein.
    Mit Wut sollen wir kämpfen, grausam, unerbittlich. Alles niederreißen – niederhauen – morden und brennen – diese Hunde ans Kreuz schlagen – sie martern – steinigen – ohne alle Gnade – wie die Hunnen über sie herfallen – in blutgierigen Massen – mit fletschenden Zähnen – mit Krallen und Fäusten – in Haß – in wildem – un-er-meßlichem Haß – ans Kreuz mit ihnen – ans Kreuz –«
    Â 
    Auf einen solchen Text wäre Ferdinand niemals vorbereitet gewesen. Hätte er den Sohn gefragt, woran er so be
sessen schreibt, hätte dieser mit seiner melodischen, verhaltenen Stimme geantwortet: ein Stück über einen Schüleraufstand.
    Und gegen wen stehen die Schüler auf? Sag, gegen wen?
    Gegen die Lehrer und die Väter, gegen wen sonst.
    Â 
    * * *

25. Finis austriae
    Trotz des großen Publikumserfolgs wurde Ferdinands Volksstück Vaterland 1912 nach vier Aufführungen abgesetzt. Wieder eine Vater-Sohn-Konstellation, diesmal in der bäuerlichen Südtiroler Region. Doch im Publikum kein Aufruhr wie einst bei der Familie Wawroch .
    Zum ersten Mal überkam Ferdinand das Gefühl der Resignation. Im rechten Augenblick auf die Bühne gebracht, hätte sein Zyklus Jahrhundertwende ein sensationeller Erfolg werden können: die Apokalypse der Donaumonarchie. Doch er hatte die Hoffnungen enttäuscht und nennt die Dinge beim Namen.
    Was waren die Ursachen seiner plötzlichen Erfolglosigkeit? Die Zensurbehörde, deren Fesseln er sich freiwillig angelegt hatte? Fehlte es ihm an Ausdauer und Talent? Was raubte ihm seine Kräfte? Waren es die Familie, die banale Normalität des Alltags, Arnold, der widerspenstige Störer? Sein Hang zum naturalistischen Sozialdrama, dem kämpferischen Moralstück, das, seinem Beruf entsprechend, mahnen und erziehen sollte und das nun zu Grabe getragen wurde? Hatte Hermann Bahr recht, der in einem Essay das Ende des Naturalismus verkündete?
    Kein Zweifel, er hinkte seiner Zeit hinterher.
    Ferdinand geriet in eine Sinnkrise, wie sie ihn zweimal in seinem Leben befiel, und dies jeweils an Wendepunkten der Geschichte.
    In nachdenklichen Passagen seiner Erinnerungen reflektiert er die Unerträglichkeit, keinen Erfolg zu haben – Arnolt Bronnen wird später dieselbe Erfahrung machen müssen.
    War es die Atmosphäre jener Tage? Ahnte er, daß bald die »Mutterkatastrophe des 20. Jahrhunderts« hereinbrechen würde, wie Golo Mann den Ersten Weltkrieg nannte? Fürchtete er, daß die österreichische Monarchie nicht mehr lange bestehen würde? Spürte er, daß die alten Werte sich verflüchtigten?
    Er hatte dem Vakuum nichts entgegenzusetzen und versuchte, es mit dem Glauben an eine neue völkische Richtung zu füllen. Zusammenhalt, das war es, was er in der neuen Ideologie zu finden hoffte.
    Ferdinand hielt Vorträge zum Schillerjahr und zum Geburtstag Goethes. Er arbeitete ein Papier aus, wie den schreienden kulturellen Gegensätzen einer übersättigten Stadt und eines unterentwickelten Landes zu begegnen sei und

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