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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Mann, dieser Bernfeld, der viel von Jugend, geistiger Gemeinschaft, Freiheit und Reinheit sprach. Ein religiöser Sozialist, von seinen Jüngern verehrt. Auch Arnold betete ihn an, wohl nicht ohne homoerotische Gefühle, und schrieb ihm emphatische Briefe. Wirre Briefe, in denen Arnold von sich wies, Jude zu sein, und sich für deutsch erklärte: »Sie wissen doch, daß die Deutschen das einzige Volk sind, die sich nicht nach ihrer Sprache nennen, sondern nach dem Amt, das sie übernommen haben.« Wobei Arnold auf die Etymologie des Wortes »deutsch« anspielte: auf thiudans, der über das Volk Herrschende, der »Volkende«.
    Im Weihnachtsbrief von 1914 schrieb er einen zwiespältigen Satz, der seine diffusen Anschauungen wiedergibt: »Darüber, daß Sie mich für einen Juden halten, hab ich nicht wenig gelacht: es ist ja schließlich keine Beleidigung, und wer den Schaden von der Wahrheit hätte, ist meine Mutter.«
    Auch Kindisches und Wirres ist unter Arnolds Briefen zu finden, wonach Jungsein bedeute, »mit seinen Anlagen herumhaun, sie kneten und in die Höhe tragen«, Jüdischsein dagegen sei »das Einteilen der Butter für das Brot am Morgen, am Mittag und am Abend«; die Deutschen »geben den Vögeln etwas davon, zerbröckelns, bre
chen den Armen was ab, werfen die Rinde dem lieben Gott in den Himmel als Opfer, und mit dem letzten Stück gehen wir aus, das Glück zu suchen oder einen hohen Berg zu besteigen, und finden es und besteigen ihn«.
    Ich finde seltsame Worte wie »Antigermanosemitismus«, vom »Amt des Deutschseins« ist wiederholt die Rede, und nicht zuletzt blühen die wilden Worte eines verzweifelten Vaterhasses. Im Dagegensein, wogegen auch immer, zeigt sich stets seine entfesselte Sprachgewalt, als fiele ihm im moderaten Tonfall nichts ein.
    Eine neue Konkurrenz war zwischen Vater und Sohn entstanden: der Zweikampf der Schreibenden. Arnold hatte Ideen, die sein Vater nicht mehr hatte, und bald auch Erfolg.
    Die Furcht vor der Konkurrenz war keineswegs grundlos, denn beide beschäftigten sich mit genealogischen Bindungen. Mit dem Aufstand der Schüler gegen die autoritären Lehrer und Eltern schulterte Arnold sein literarisches Gepäck und begann die Schülerdramen Recht auf Jugend und Die Geburt der Jugend zu schreiben. In Recht auf Jugend wird Judentum mit Reichtum und moralischer Bedenkenlosigkeit gleichgesetzt; Tonfall und Dialekt erinnern an Familie Wawroch , zum Beispiel, wenn er über Franzis Geliebte, eine Jüdin, schreibt: »Die da is eh schon ane, was si gern eini fahrn laßt. Mer siachts ihr eh an. Ihr Großvater war a Jud, a stinkiger, wasd Leut so lang gschunden hat, bis eam selbst gschunden ham.«
    Offenbar hatte sich die Liebe zum Dialekt vom Vater auf den Sohn übertragen.
    Was Arnold bis aufs Blut peinigte – die väterliche Kontrolle über sein Leben nach der Methode rabiater Pauker –, hat seinen Vater als Schüler mit Dankbarkeit erfüllt. Ohne Zweifel hat Ferdinand die Rolle des Vaters
mit der des Lehrenden definiert und erwartete Liebe und Dankbarkeit von seinem Sohn, eine Hoffnung, die sich als trügerisch erwies. Die Rebellion seines Sohnes nahm mit dem Älterwerden noch zu. Unreife und Eifersucht mögen zu einem guten Teil mitgewirkt haben. Der lebenslang Aufmüpfige wird den inneren Kampf in einen Kampf gegen den Staat und seine Autoritäten ummünzen und damit auf Bereiche, die in seinen Augen den Vater repräsentieren.
    Der »jüdische Selbsthaß« ist bei Arnold viel ausgeprägter als bei Ferdinand. Das ist für ihn lebenswichtig, da nur dieser Haß sein Schuldgefühl mindern kann. Im Protokoll spricht er vom »Unheil« seines Lebens, das ihn zwischen zwei Gewalten gestellt habe, ohne ihm dabei die Kraft mitzugeben, »sich für eine von ihnen zu entscheiden«.
    Also war er immer bei denen, die dagegen waren, ganz gleich, was es war?
    Der Konflikt mit seinem Sohn ließ Ferdinand spüren, daß plötzlich eine neue Generation auftrat und ihn verdrängte. Der Kampf zwischen den beiden näherte sich unausweichlich seinem Höhepunkt.
    Arnold zieht sich zu Hause völlig zurück und führt eine »geheime Existenz«, mit eigener Postadresse. Wie einst Ferdinand sorgt er mit Nachhilfestunden selbst für seinen Lebensunterhalt. Oder er flieht aus Wien: »Sowie ich den Mut gehabt hab davon zu

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