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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Ferdinand auf nationales Gedankengut umgerüstet und die russische Literatur durch skandinavische ersetzt.
    Die meisten seiner Schüler waren katholisch, manche Pfadfinder, zwei Rote, zwei Juden, einer war Sohn eines Wolgadeutschen und wenig beliebt. Zigarettenbilder mit Uniformträgern wurden in den Pausen getauscht. Ein von ihm zurechtgewiesener Schüler wollte ihm weismachen, daß er ihn zu Unrecht mit einer Strafarbeit maßregle: Es geht längst um Größeres, sagte der Dreikäsehoch, ein kleingeratener Adeliger, Sie sehen vor sich einen Patrioten.
    Ferdinand hätte seinen Unterricht »Schule der Nation« nennen können. Er war fähig, seinen Schülern das Hildebrandslied nahezubringen, als stecke er selbst in Hadubrands Rüstung. In Deutsch beschränkte er sich auf die Klassik und ließ Lessing weg.
    Der Wermutstropfen für den Sprachbewußten war die verbale Verarmung der Menschen, die im Gegensatz zum nimmersatten Wortschatz der Kriegsverherrlichung stand.
    Nun erwärmte ihn sein neues Vaterland mit seinen Fah
nen, Wimpeln, Trommeln und Bändern. Die Musik, die von den öffentlichen Plätzen herdrang, jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Jeder Trommelwirbel erhitzte seine Stirn, jeder Ton prallte auf seine Knochen. Hurra, Österreich, brüllten Studenten, lang lebe der Kaiser! Und: Nieder mit der SPD ! Er nahm teil an dieser »Seelenlage«, das erlöste ihn aus seiner stubenhockerischen Schaffenskrise. Möglich, daß er es manchmal, wenn er so durch die Straßen ging, bedauerte, daß man als Lehrer keine Uniform tragen mußte, damit jeder sehen konnte, wie sehr er einer der ihren war.
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    * * *

26. Tauglich
    Arnold und Rudolf ersehnten den Krieg und beschlossen, sich freiwillig zu melden.
    Kommt nicht in Frage, donnerte Ferdinand, Rudi hat noch nicht das Einjährigenrecht und muß den letzten Jahrgang der Kunstgewerbeschule absolvieren.
    Ich könnte mich zur Radfahrkompanie melden, sagte Rudi. Seine Stimme klang ungewohnt erregt und kämpferisch.
    Ferdinand schüttelte den Kopf.
    Mir kannst du es nicht verbieten, sagte Arnold.
    Ich an deiner Stelle würde warten, sagte Ferdinand.
    Ich denke nicht dran.
    Als der siebzehnjährige Rudolf im Monat darauf die Kunstgewerbeschule beendete, meldete er sich sofort zur Musterung und wurde angenommen, während Arnold aufgrund seiner Kurzsichtigkeit abgelehnt wurde. Zudem erhielt Rudolf ein kleines Stipendium, das ihm auch während des Kriegsdienstes ausgezahlt werden sollte. Sofort wandelte sich die Stimmung zu Hause, und die Eltern bewunderten ihren Sohn, der unerschrocken die Heldenbahn beschritt.
    Was Ferdinand betraf, so nahm er den Krieg mit »Erhebung« auf, denn er ließ ihn sein Schreibproblem vergessen.
    Die Demütigung, abgelehnt worden zu sein, weckte Arnolds Neid auf den Bruder. Er fühlte sich isoliert, abgeschnitten vom Rausch der Nation. Und mußte weiter unter der väterlichen Zuchtknute leiden.
    In manchem war Arnold Vorbild für seinen zwei Jahre
jüngeren Bruder gewesen, weil er kühn und aufsässig seinen Weg behauptete, während Rudolf, ausgeglichen und liebebedürftig, aber »geschickter, mutiger und klüger« (Arnold) aufgrund seiner »Selbstzweifel und Bescheidenheit« (Ferdinand) stets der Liebling des Vaters war – letzteres wiederum stachelte Arnolds Konkurrenzgefühle an. Künstlerisch war Rudolf hochbegabt – er malte, ging auf die Kunstgewerbeschule und entwarf Buchumschläge.
    So war es immer: Man brauchte ihn nur zurückzuweisen, schon wollte Arnold um jeden Preis geliebt werden. Zurücksetzung zahlte er heim mit Haß.
    Arnold stellte sich nochmals der Assentierungs-Kommission, diesmal ohne Brille, verschwieg seine fünf Dioptrien, wurde für tauglich befunden und durfte einrücken.
    Ferdinand sagte nichts.
    Nun brachte Arnold sein überarbeitetes Stück Geburt der Jugend zur Post und schickte es mit einem halb aggressiven, halb hilflosen Brief an Gustav Wyneken, den Reformerzieher, das Idol der Jugendbewegten. Arnold gab darin seiner Überzeugung Ausdruck, daß es zu einem katastrophalen Zusammenstoß zwischen Jungen und Alten kommen würde. Ein Umsturz der bestehenden Ordnung könnte nur vermieden werden, wenn man die Jugend als separate, autonome, anarchische Macht anerkenne und neben die bestehenden Lebensformen setze.
    Wynekens Vortrag über

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