Meine Väter
Stellung nimmt â jegliche Unterstellungen seine jüdische Herkunft betreffend: »Tatsache ist, daà sich aus keinem meiner Bücher und aus
keinem meiner Worte irgendeine Stellungnahme zum Judentum herausdeuten läÃt. Es gehört das nicht zu meiner Aufgabe, und es werden andere kommen, die diese Aufgabe lösen werden; wie, das wird wesentlich vom Judentum selbst abhängen. Im übrigen interessiert mich dieser Fragenkomplex zu wenig, trotz der fast schmeichelhaften (â¦) Zähigkeit, mit der das Judentum mich als zu ihm gehörig reklamiert. Ich bin (â¦) Deutscher (im rassischen, nicht nur im staatsbürgerlichen Sinne) und deutscher Abstammung.« Was einerseits heftig, andererseits aber, bedenkt man, wie andere, etwa Hofmannsthal, auf solche Pressemeldungen reagieren, keineswegs judenfeindlich klingt. Aber es ist nicht wahr.
Später, im Protokoll , wird er schreiben: »Vor den Leistungen des Judentums, vor seiner ungewöhnlichen Begabung, vor seiner Haltung, vor seiner sicheren und unbeugsamen Menschlichkeit, hatte ich immer den gröÃten Respekt. Aber es gab nicht einen Tag in meinem Leben, an dem ich mir gewünscht hätte, der Professor möge mein Vater sein«, womit er gleichzeitig jeglichen Zusammenhang zwischen dem Judentum des Vaters und seinem Vaterhaà leugnet.
Ferdinand konnte sich beschwichtigen: Immerhin war er im Besitz amtlicher Papiere, es war verbrieft, daà er Ãsterreicher war, er hatte einen christlichen Vornamen und eine christliche Religion, bezog als ehemaliger Staatsbediensteter eine Pension â er hätte beruhigt sein können. Aber ganz traute er dem neuen Staat nicht. Mit dem rasant schwindenden Geld hatten sich auch die Werte verflüchtigt, die das Land zusammengehalten hatten. Es herrschte eine eigentümliche Ãberhitztheit auf allen Gebieten, besonders, was die »Rasse« betraf, die ihn irritierte, und er ahnte vielleicht, daà der Friede nicht von Dauer sein
würde. Judenverachtung, Putschversuche, kommunistische Aufstände, Blut war geflossen, und das Ende der Inflation hatte ein verbittertes, verarmtes Volk hinterlassen. Bei einem Besuch in Verona hatte er eine kleine Gruppe militanter junger Faschisten gesehen, die über die Piazza dell' Erbe schritten und ein Marschlied sangen â seitdem fühlte er, daà irgend etwas bevorstand, wenn er auch nicht wissen konnte, was es war.
»Westwärts über den flimmernden Hügeln, bis zu den blauen Meeren, zu blauen Gebirgen, lag wartend das Reich. Geduldig und gedemütigt, verhaÃt, getreten lag es da ⦠sichtbar, doch unaussprechbar das Land, nie geformt, nie bestimmt, mit den flieÃenden, umkämpften Grenzen, Deutschland, ein Gefühl, mehr als das alles, ein Gefühl des Geistes ⦠Menschen, stützend, tragend dasselbe Gewölbe, gespeist aus denselben Quellen der deutschen Vitalität. Ãber die Annaberg Kämpfer hinweg, wie sie standen auf polnischem Bauernland, ging hochgeschwungen der Bogen â¦Â« Völkische Töne in Bronnens Oberschlesien-Roman O . S .
Wer sich so weit vorwagt, müÃte eigentlich, dem Gebot der Stunde folgend, »reinrassig« sein. Ihm aber fehlte der Ariernachweis, das bringt Bronnen bald in Schwierigkeiten. Weshalb er auch in die Neuauflage des Buches O . S . den Vermerk drucken lieÃ, er wäre »Deutscher und deutscher Abstammung.«
»Ich wollte nun selbst Klarheit haben«, schreibt Bronnen im Protokoll . Er will wiederauferstehen, als wahrhaftiger und reiner Germane. Zutiefst in seinem Selbstbild verletzt, arbeitete er eine Klage gegen Kiaulehn aus und wollte gegen ihn vor Gericht ziehen. »Dann fiel mir ein: kann ich das ohne meine Mutter?«
Gut, daà ihm die Mutter noch eingefallen ist, denkt sie.
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Hatte er nicht bereits im Sommer 1927 von seiner Mutter einen grotesken Brief erhalten, in dem sie schrieb, er sei nicht der Sohn Ferdinands, sondern Produkt eines vorehelichen Seitensprungs mit dem Pfarrer Wilhelm Andreas Schmidt? So steht es im Protokoll, doch dieser Brief ist nicht erhalten.
Sie ist irritiert. Warum soll Martha so früh, ohne sichtbaren AnlaÃ, diesen verletzenden Brief an ihren geliebten Sohn, gerade auf Urlaub in Südtirol, geschrieben haben? Dessen erster Gedanke war, sofort zur Mutter zu fahren, um sich »bei ihr auszuweinen«?
War es aus Rachsucht gegen ihren Mann, mit dem sie in Auseinandersetzungen
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