Meine Wut ist jung
sehr viel ruhiger und sachlicher mit der Bedrohung umgegangen ist. Den jetzigen Innenminister Friedrich kann ich in dieser Hinsicht nicht genau einschätzen. Gegen inakzeptable Vorstöße ist vor allem Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein Bollwerk der Liberalität.
Wichtig ist dabei nicht allein das, was geschehen ist, sondern das, was nicht geschehen ist. Zum Beispiel musste die CDU/CSU den Plan aufgeben, die Bundeswehr im Inneren des Landes zur Bekämpfung von Kriminalität einzusetzen. Jetzt müssen dringend die Antiterrorgesetze auch auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Damit tut sich die Union jedoch schwer.
Ist denn der unvermutet ausbrechende Terror von rechts im Moment mit früheren Formen des Terrorismus vergleichbar?
Nein, auf keinen Fall. Weder mit dem RAF-Terrorismus, noch mit dem sogenannten islamistischen Terrorismus. Die RAF-Terroristen sind damals ja aus der Mitte unserer Gesellschaft herausgewachsen, motiviert durch tatsächliche oder angebliche Missstände. Der RAF-Terrorismus war geprägt von einer - so möchte ich es mal sagen - spezifisch deutschen Rigorosität, verbunden mit einem Schuss von geradezu religiösem Fanatismus und mit massiven Realitätsverlusten. Der islamistische Terror kommt nicht aus der Mitte unserer Gesellschaft. Er hat ganz andere Wurzeln. Diese liegen in den Konflikten des Nahen Osten und in speziellen Machtansprüchen des Islamismus, auch geleitet von religiöser Verblendung. Die RAF zielte auf einzeln ausgesuchte Repräsentanten unserer Gesellschaft. Die islamistischen Terroristen wollen die Bevölkerung insgesamt in Angst und Schrecken versetzen. Die Anschläge in Madrid oder in London zeigen das. Die rechte Terrorzelle wählte unbekannte Opfer, motiviert durch Fremdenfeindlichkeit. Diesen rechtsextremistischen Terrorismus, wie er uns jetzt bekannt geworden ist und der uns ja alle überrascht hat, gab es in dieser Form bisher nicht. Jedenfalls kannten wir ihn nur in Einzerlfällen, wenn auch die Sicherheitsbehörden ihn früher hätten erkennen müssen.
Immerhin gab es schon einen rechtsterroristischen Anschlag in München auf dem Oktoberfest 1980.
Bei diesem Anschlag handelte es sich um einen Einzeltäter. Anders lautende Behauptungen sind bis heute unbewiesen. Allerdings kam der Täter aus dem Umfeld der rechtsextremen Organisation »Wehrsportgruppe Hoffmann«. Wie gesagt, der rechte Terrorismus hat seinen Nährboden in einem braunen Sumpf, unter anderem motiviert durch eine rigorose Fremdenfeindlichkeit. Doch die Breitenwirkung, die damals die RAF hatte, wird bei Weitem bis heute nicht erreicht. Die Demokraten sind sich jetzt in der Abwehr der rechten Gefahr sehr viel einiger als damals in der Abwehr des linken Terrorismus, der zum Parteienstreit instrumentalisiert wurde.
Ich komme noch einmal auf München zurück. Unsere Gesellschaft war damals auf dem rechten Auge blind. Sie hat sich voll auf die Gewalttaten von links konzentriert und hatte ausgeblendet, dass in der gleichen Zeit nicht eben wenige Gewalttaten von rechts geschahen, wie die Statistik belegt. Eine nicht geringe Anzahl von Menschen waren Mordopfer rechten Terrors. Die mangelnde Wahrnehmung dieser Taten hat meiner Meinung nach etwas damit zu tun, dass die Bundesrepublik sich damals stark in der Abwehr des Kommunismus definierte. Viele Wahlkämpfe wurden mit diesem Thema geführt. Dazu gehörte auch der Kampf gegen die neue Ostpolitik. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Aufklärung des Terrors von rechts ist heute weniger von Parteiauseinandersetzungen geprägt als vielmehr vom Wunsch nach Aufklärung. Die Auseinandersetzung mit den rechten Verfassungsfeinden muss ein ständiger Prozess und nicht nur eine Reaktion auf einzelne Gewalttaten sein.
Wie erklärt sich jemand, der - wie Sie - als Minister für das Bundesamt für Verfassungsschutz, für das Bundeskriminalamt und für den Bundesgrenzschutz zuständig war, ein derartiges Versagen der Sicherheitsbehörden, die eine solche Mordserie über zehn Jahre hinweg nicht erkannt haben?
Ich bin zunächst immer etwas vorsichtiger als manche journalistischen Beobachter. Meine Erfahrung ist, dass hinterher alles anders aussieht, wenn sich die Puzzleteile zusammensetzen lassen. Dennoch, Tatsache ist: Man war hier auf dem vollkommen falschen, auf einem für die Ermordeten und für ihre Familien diskriminierenden Trip. Inzwischen ist klar: Hier wurden erhebliche Fehler gemacht. Die Behörden hätten mehr
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