Meine Wut rettet mich
halten. Männer erfolgreicher Frauen werden eher bedauert, man nimmt an, sie leiden …
Mein Mann ist zwei Meter groß, die absolute Ruhe, sehr selbstbewusst. Er verzieht keinen Mundwinkel, ist einfach nur freundlich. Den guckt man nicht mitleidig an.
Er ist Pastor im Berufsförderungswerk Hamburg-Farmsen, also auch Kollege.
Er hat sein eigenes Leben. Deshalb neidet er nichts, er hatte mit meinem Weg nie Probleme. Er gestaltet seinen Beruf so, dass er zufrieden ist. Das finde ich schön. Was manche Leute sich ausmalen – von wegen, dass einer nur zu Hause sitzt, wartet und klagt: »Kommst du jetzt erst?« –, das gab es bei uns nie.
Ihr Mann hat nach Ihrer Wahl angeblich gesagt, er möchte gerne als »Herr Bischöfin« angesprochen werden …
Nein, gesagt hat er das nie. Da wurde im Laufe der langwierigen Wahlhandlung wohl etwas missverstanden und meinem Mann in den Mund gelegt. Die Presse hat diese Ente erstaunlich breit und sogar freundlich kolportiert. Vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass die Umkehrung gesellschaftlicher Klischees ihren Reiz hat. Eigentlich würde ein solcher Satz aber total zu meinem Mann passen. Denn er ist sehr zurückhaltend, nimmt meine bisherigen Karrierewünsche mit stoischer Ruhe wahr, findet sie gut und unterstützt sie. Das war immer schon so. Er hat sich selbst beruflich auch durchaus dafür zurückgenommen. Jetzt hat er große Freude, dass ich Bischöfin geworden bin. Die Bezeichnung »Herr Bischöfin« bringt genau diese Umkehrung auf den Punkt und führt die gesellschaftliche Wahrnehmung ad absurdum.
Als Bischöfin haben Sie nun eine exponierte Stellung, um mit genau diesen Bildern offensiv umzugehen. Sie könnten Ihr Beispiel bewusst in die Öffentlichkeit bringen, um zu sagen: Es gibt nicht nur das Klischee, solche Lebens- und Berufswege können auch einfach passen – und zwar für beide.
Genau, das ist es: Es kann auch einfach für beide passen. Es wäre einen Versuch wert, hier differenziert und überlegt eine Art Gegenbild zu dem Klischee aufzubauen. Glücklicherweise habe ich zehn Jahre Zeit, daran mitzuwirken.
Ein anderes Klischee bezieht sich auf das Verhältnis von Frauen untereinander. Man unterstellt Neid und Stutenbissigkeit. Sie haben Petra Bahr 103 , Ihre Gegenkandidatin um den Bischofsposten, als »Schwester« bezeichnet.
Petra Bahr und ich haben uns vom ersten Moment an ehrlich geschätzt. Das hätten wir nicht spielen können. Es gab einfach gleich eine Verbindung zwischen uns. Auch andere schilderten, sie seien erstaunt bis positiv überrascht, dass wir nicht gegeneinander gekämpft haben, wie man das erwartet hatte. Das würde auch nicht zu meinem Verständnis von bischöflicher Wahl passen. Denn: Man bewirbt sich ja nicht um die Kandidatur, sondern wird nach ausführlichem Gespräch von dem synodalen Wahlausschuss gebeten zu kandidieren. Und: Es ist ein Glück, wenn zwei ganz unterschiedliche und jeweils kompetente Persönlichkeiten zur Wahl bewegt werden können. Es geht also gar nicht um Kampf, sondern man stellt verschiedene Positionen zur Abstimmung.
Aber es musste ja schon Unterschiede geben. Ansonsten wäre es egal gewesen, wer die Wahl für sich entschieden hätte: Sie oder Petra Bahr. Und es braucht Ehrgeiz.
O ja, inhaltlich waren wir verschieden, und das haben wir klar vertreten. Zum Beispiel gaben die einen ihr die Stimme, weil sie nicht von innen kam, sondern Neues eingebracht hätte, die anderen hingegen mir, weil sie genau andersherum dachten und wichtig fanden, dass eine die Verhältnisse vor Ort gut kennt. Für Petra und mich war wichtig, dass keine verletzt, brüskiert oder in irgendeiner Weise beschädigt aus dieser Wahl herausging.
Ist das nicht zu harmonisch? Sie wären sicher enttäuscht gewesen, wenn Sie verloren hätten.
Sicher steckt da drin so ein »Mmh, doch nichts geworden«. Aber es ist auch wichtig, dass jede Seite sich mit dem Ergebnis hinterher gut arrangieren kann. Das war so, auch weil die ersten drei Wahlgänge knapp ausgingen. Wichtig war ebenso, dass ich im vierten Wahlgang, in dem sie nicht mehr antreten durfte, eine eindeutige Mehrheit erhielt, nach dem Motto: »Mit Fehrs können wir auch leben …« Hinzu kam: Jede wollte die Wahl gewinnen, aber es hing für keine alles davon ab, jede konnte gut auch am vorherigen Posten weiterarbeiten. Mir persönlich gab dies eine innere Freiheit. Auch dies ermöglichte, dass wir einander zugewandt waren.
Mit Ihrer neuen Funktion ist eine ganz andere öffentliche
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