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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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gegeben hat. Oder anderes, was meine Vernunft aufs Äußerste herausfordert. Ich kann mich aber an keinen Moment erinnern, in dem ich einen Bruch spürte oder es mir schien, dass Gott mich verlässt und ich nicht mehr geborgen bin. Das ist vielleicht ein besonderes Glücksgeschenk, das mag sein. Ich würde mich in der Tat als einen glücklichen Menschen bezeichnen. Krisen hat man immer, das meine ich damit nicht. Aber ich empfinde mich als einen sehr geborgenen und getragenen Menschen.
    Inwiefern hat Ihre Mutter Sie geprägt? Und womit?
    Meine Mutter ist ein lebensfroher Mensch und ziemlich kämpferisch. Ihre Mischung aus sozialem Engagement, Warmherzigkeit und Hartnäckigkeit hat mich sehr geprägt. Ihre Devise war: »Nicht aufgeben«. Und wenn man von etwas überzeugt ist, ein anderer aber das Gegenteil findet, dann ist das womöglich dessen Versehen …
    Wer hat Sie religiös geprägt?
    Meine Großmutter. Sie stand bei uns für Rituale und verlangte von mir, dass ich jeden Abend »Guten Abend, gute Nacht« sang. Ich fand meine eigene Form des Widerstands, indem ich das Abendlied sang und gleich noch »Im Wald, da sind die Räuber« anschloss – beides in 30 Sekunden – das müssen Sie mal schaffen! Den Kern der Übung begriff ich damals natürlich noch nicht. Es ging um das feste Verwurzeln des Glaubens, als Stütze inmitten allen Trubels.
    Ihre Mutter war Bürgermeisterfrau und zog vier Kinder groß. Hatte sie auch einen Ausbildungsberuf?
    Durch Krieg und Flucht hatte sie eine geringe Schulbildung und so war ihr nur möglich, Verwaltungsangestellte zu lernen. Das hat sie immer bedauert. Als mein Vater starb, zog sie sich in ihrer Trauer zunächst zurück, dann aber ging sie wieder aus sich heraus und startete durch: Sie brachte etliche soziale Projekte voran, half mit, ein Altenheim im Heimatort zu bauen, und wurde zur ersten Ehrenbürgerin von Wesselburen nach dem Krieg ernannt. Sie fühlt sich nun erfüllt und hat in ihren Augen ihre Lebensleistung erbracht.
    Neidete sie Ihrem Eindruck nach Ihnen und Ihren Geschwistern manchmal, dass Sie auch beruflich Ihren Weg gehen konnten?
    Sie hat einmal etwas Ähnliches gesagt, ja. An Weihnachten, als wir alle beieinandersaßen. Sie seufzte, sie gönne es uns ja wirklich, aber es hätte sie so gereizt, durch eine entsprechende Ausbildung in einem Beruf auch ihre anderen Fähigkeiten zeigen zu können. Gleichzeitig fand sie es schön, uns vier Kinder aufzuziehen. Es war eben ein Bedauern, nicht alles zeigen zu können; ich kann das verstehen.
    Welche Erwartungen hatte Ihre Mutter an Sie? Sie leben mit Ihrem Mann ohne Kinder, Ihre Schwestern haben Familien und sind beruflich ebenfalls erfolgreich.
    Es gibt ein Umfeld mit Leuten, die finden, es zähle die Zahl der Enkelkinder. Das ist für meine Mutter nicht so. Für sie liegt die Freiheit darin, dass wir unser Leben, auch das private, so leben, wie wir wollen. Da besitzt sie eine hohe Toleranz.
    „ Als Frau wird einem immer unterstellt, man sei nur erfolgreich im Beruf, weil man auf Kinder verzichtet. Gegen diese Annahmen müssen wir uns zur Wehr setzen. ”
    Wie erleben Sie das Thema »Familie oder Beruf«? Es gibt nach wie vor diese speziellen Fragen, die man nur erfolgreichen Frauen stellt: Verzichten Sie wegen der Karriere auf Kinder? Wie vereinbaren Sie Privates und Beruf? Und so weiter.
    Das beschäftigt in der Tat viele. In den ersten Interviews, die ich gab, empfand ich es als übergriffig, dass einem als Frau immer unterstellt wird, man sei nur erfolgreich im Beruf, weil man auf Kinder verzichtet. Gegen diese Annahmen müssen wir uns unbedingt zur Wehr setzen und dagegenhalten, dass Frauenbiografien genauso unterschiedlich sind wie Männerbiografien. Auch Männer treffen Entscheidungen, die nicht nur mit dem Beruf zu tun haben, viele Dinge kommen zusammen, Dinge, die andere nicht zu beurteilen haben. Es gibt einen Schutz der Person bei Fragen, die mit dem Beruf und der Professionalität gar nichts zu tun haben. Dazu gehört, dass man nur Frauen die Familienfrage stellt, Männern aber nicht. Als Margot Käßmann als Bischöfin kandidierte, wurde sie gefragt, wie sie ihre Kinder mit diesem Amt vereinbaren könne; der Gegenkandidat, der ebenfalls Kinder hatte, nicht. Als gäbe das Aufschluss über die berufliche Eignung – und zwar speziell bei Frauen.
    Es gibt noch einen anderen Aspekt: die Rolle, die den Partnern zugeschrieben wird. Man spricht von Frauen, die ihren erfolgreichen Männern den Rücken frei

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